TS 46: Die Marskolonie
Arzt hilflos an. „Werden sie es denn niemals lernen? Aber ich darf ihm keinen Vorwurf machen. Tragen Sie ständig eine Maske, Doc? Oder ich?“
„Hier nicht“, gab Winter zu. „Aber laufen Sie vielleicht draußen ohne eine herum? Wenn ja, dann werde ich Ihnen ebenfalls ein Bett zurechtmachen, denn Sie werden es bald nötig haben.“
Dirk wurde rot im Gesicht.
„Tut mir leid, Doc, aber es wird immer schlimmer. Wie sind jetzt die genauen Zahlen?“
„Dreißig hoffnungslos erkrankt. Fünfzig über dem Gefahrenpunkt, der Rest zwischen ein und dreißig Prozent angegriffen.“ Winter legte seine Hand auf die Schulter des Kommandanten. „Lassen Sie sich nicht unterkriegen, Dirk, denn es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten.“
„Darum ist es ja so schlecht. Die Männer liegen da, und niemand von uns vermag ihnen zu helfen.“ Er sah den Arzt flehend an. „Gibt es denn wirklich keine Rettung für sie?“
„Keine.“ Winter machte eine unbestimmte Geste, als er sich von dem Bett abwandte. „Es ist keine neue Krankheit. Seitdem der Mensch versucht, in das Gestein der Erde vorzudringen, gibt es sie. Eine Industrieseuche nannte man sie. Staublunge. Das Inhalieren von Staub blockiert die Lunge und vermindert die Möglichkeit, den Sauerstoff zu absorbieren. Der Organismus wird müde, und schließlich wird das Leben zu einem einzigen Kampf um Sauerstoff.“
„Ich weiß“, nickte Dirk. Der Blick seiner noch jungen Augen härtete sich, als er auf die reglose Gestalt des Schlafenden fiel. „Ich habe Ihren Vorschlag weitergeleitet und empfohlen, mehr Wasser vom Pol pumpen zu lassen, damit wir das Gebiet hier anfeuchten können, so daß der Staub weniger wirksam wird. Bisher erhielt ich keine Antwort. Fast glaube ich, sie werden nicht zustimmen. Es bedeutet mehr Männer, mehr Maschinen, mehr Kosten.“
„Es würde Leben sparen.“
„Ich weiß, aber anscheinend gilt unser Leben auf der Erde nicht viel.“
Er sprach plötzlich nicht weiter. Mit einem letzten Blick auf den Kranken setzte er sich in Richtung Ausgang in Bewegung, als habe er einen Entschluß gefaßt. Winter schritt hinter ihm her. Gemeinsam legten sie die dicken Overalls an und streiften die Masken über.
„Neuigkeiten von der Erde, Dirk?“
„Anders wird bald eintreffen, ich weiß aber nicht wann.“
„Der Beauftragte des Departements für außerplanetarische Angelegenheiten?“
„Ja.“ Die Stimme des Kommandanten klang hohl unter der Maske. „Kommen Sie mit?“
Sie traten durch die Doppeltür hinaus ins Freie.
Der Anblick war nicht sehr ermunternd. Die Arbeit der vergangenen fünf Jahre machte sich rein äußerlich kaum bemerkbar. Sicher, statt der zerbrechlichen Zelte standen nun massive Bungalows in langer Reihe zwischen den Dünen, aus Sand geschmolzen und mit glatt polierter Oberfläche. Die Anlage für die Kulturen war unverändert geblieben. In der Ferne wuchtete die Energiestation empor, vergrößert und verbessert. Mitten hindurch führte die Straße, mit rotem Sand bedeckt, der überall zu sein schien. Dirk ging voran. Unter seinen Füßen wirbelte der rote Staub auf und wehte in einer Wolke hinter ihm her.
„Staub!“ fluchte er. „Verdammter Staub! Wer hätte gedacht, daß er uns noch solchen Kummer bereiten würde?“
Winter zuckte die Schultern und sah hinauf in den schwarzen Himmel. Tausende von Sternen bedeckten ihn mit ihrer gefrorenen Pracht. Die beiden Monde waren deutlich sichtbar. Sie liefen dem nahen Horizont entgegen. Im Osten graute bereits der Morgen.
Genau über ihren Köpfen gesellte sich ein drittes Licht zu den wandernden Monden. Es wurde langsam größer und länger – und dann war es plötzlich kein Stern mehr.
„Die Rakete!“ rief Winter. „Die Rakete!“
Er lief zu dem Verwaltungsgebäude und setzte die Sirene in Betrieb. Aus ihren Unterkünften kamen verschlafene Männer, und eine Minute später war die ganze Kolonie auf den Beinen, um das Schiff von der Erde zu begrüßen.
*
Jud Anders sog genußvoll an seiner Zigarre und blies den Rauch in Richtung des Ventilators. Er hatte einen massigen Körper und zuviel überflüssiges Fleisch an den Knochen. Selbst innerhalb des mit normaler Atmosphäre gefüllten Hauses ging sein Atem heftig und keuchend.
„Man hat uns daran gewöhnt, Tabak zu hassen“, erklärte Dirk ruhig. „Genauso wie Kaffee, Milch, Tee und alle die anderen Dinge, die man hier nicht bekommen kann. Es ist schlecht, wenn man etwas liebt, das man nicht kriegen
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