TS 46: Die Marskolonie
starten. Heute abend?“
„Okay.“
„Danke.“ Der Pilot nickte ihm zu und verschwand. Pop sah hinter ihm her. In seiner Hand war die Post für die Männer.
„Er lügt.“
„Warum sollte er lügen?“ fragte Tony und schüttelte den Kopf. „Du brauchst dir nur die Ladung anzusehen, um Bescheid zu wissen. Lebensmittel, sonst nichts. Keine Maschinen oder Ersatzteile.“
„Aber – sie können doch nicht einfach die Kolonie aufgeben!“
„Warum nicht? Die neuen Raketenantriebe ermöglichen den sanften Start, jeder kann den Mars lebend verlassen, niemand wird sterben. Sie werden uns zum Mond bringen, wo die geringe Schwerkraft uns hilft. Vielleicht wird man in einhundert Jahren hier wieder eine Ausgangsstation zu den Sternen errichten, aber heute noch nicht.“
„Du stellst dich also auf ihre Seite?“
„Nein, aber ich bleibe sachlich. Es gibt keinen wirtschaftlichen Grund, die Kolonie aufrechtzuerhalten, das mußt du doch zugeben.“
„Ventor hätte anders gesprochen. Jeder hätte das getan.“
„Nicht dir oder mir gegenüber, Pop. Es gab immer Gründe, die Kolonie weiterzuführen, besonders menschliche. Die sind nicht mehr vorhanden, weil jeder die Rückkehr zur Erde überleben kann. Ich kann nur bitten, wenn es soweit ist, und du weißt selbst, welchen Erfolg wir damit haben werden.“
„Du hast recht“, sagte der Alte und griff nach der Flasche. Er hustete. „Ich werde niemals von hier fortgehen, denn der Mars ist meine Heimat geworden. Lieber sterbe ich hier …“
Das Heulen der Sirene unterbrach ihn. Sie liefen aus dem Haus. Vor der Hefekulturanlage stand ein Mann, in der Hand einen Glasbehälter. Er schwenkte ihn hin und her. Tony blieb vor ihm stehen.
„Was ist los? Haben Sie die Sirene betätigt?“
„Ja, habe ich. Schauen Sie, was in diesem Zylinder ist …“
„Fenson! Kommen Sie mit in die Anlage. Der Sandstaub …“
Tony sah auf das grünbraune Moos, das auf dem trockenen Sand in dem Glaszylinder wuchs. Der Botaniker Fenson gestikulierte wild mit beiden Armen.
„Wir haben es geschafft, Tony! Nach zwanzig Jahren haben wir es geschafft. Die Fortführung von Devines Versuchen lohnte sich. Wir haben eine Vegetation geschaffen, die auf dem Mars überlebt.“ Der Botaniker klopfte Denton auf die Schulter. „Wir sollten es nach ihm benennen.“
„Einverstanden. Und wie schnell wächst dieses – Devine?“
„Sehr schnell. Es festigt den Sand und die Dünen …“
Tony ging zur Tür. Er lächelte.
„Ich glaube, Fenson, Sie haben die Kolonie gerettet“, sagte er und verließ den Raum. Draußen wurde es schon dunkel. Dicht über dem Horizont stand kalt und eisig ein grünlich schimmernder Stern.
„Die Erde“, sagte Pop ruhig.
„Ja“, nickte Tony. „Die Erde. Sie könnten uns helfen, aber sie tun es nicht, weil sie keinen Profit sehen. Also schickten sie ihre unerwünschten Verbrecher zum Mars – und ihre Helden. Einmal brauchten sie uns, als sie Waffen schmiedeten. Nach dem Krieg vergaßen sie uns.“
Pop scharrte mit den Füßen im Sand.
„Was sollen wir dagegen tun?“
„Ich habe einst einen Mann überfallen“, sagte Tony leise und nachdenklich. „Und ich habe aus jenem Vorfall gelernt. Er war groß und stark, aber ich war schmächtig. Und doch hielt er still, denn ich besaß eine Pistole – er nicht. Mit einer Waffe in der Hand kann man selbst den stärksten Gegner bezwingen.“
„Was soll das?“ wunderte sich Pop. „Wir haben keine Waffe, und selbst wenn wir eine hätten, wen wollten wir überfallen …?“
Tony gab keine Antwort.
Er sah durch die Dämmerung hinüber zum Flugfeld, wo die schlanke Silhouette des Raumschiffes in den sternenübersäten Himmel ragte.
*
Das Gefühl, wieder daheim zu sein, war stärker als alle Bedenken. Die Schwerkraft zerrte an den Gliedern, aber die herrliche Luft war frisch und feucht. Seine Muskeln schmerzten, aber er hatte regelmäßig die Zentrifuge in der Kolonie benutzt.
Er lächelte die hübsche Sekretärin an.
„Sagen Sie Wendis, ich möchte ihn sprechen.“
„Wen darf ich melden?“
„Tony Denton vom Mars.“ Sie nickte und beschäftigte sich mit ihren Sprechgeräten. Tony lehnte sich gegen den Schreibtisch und zwang sich zur Ruhe. Der kleine Pilot Conroy tat ihm leid. Er hatte ihn mit einem Schlag von hinten betäuben müssen, aber es war ihm keine andere Wahl geblieben.
„Mr. Wendis erwartet Sie“, unterbrach das Mädchen seine Gedanken und zeigte auf eine Tür.
Wendis war
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