TS 54: Alle Zeit der Welt, Teil 2
heraus und fütterte das Netz durch eine winzige Falltür. Ein schwacher Parfümhauch entwich gleichzeitig durch die Öffnung, begleitet von einem leisen, rhythmischen Summen.
„Stell das Zeug weg“, knurrte Hale. „Dieser Geruch ist mir oft genug begegnet. Was ist nun mit Crowell?“
Sam legte den Rahmen zur Seite.
„Ich wußte nicht, daß er für dich gearbeitet hat. Er gehörte zu den Meuterern, und ich ließ ihn mit den übrigen zusammen festnehmen.“
„Weshalb hast du zugeschlagen, ohne mir Bescheid zu geben? Wieso hast du gewartet, bis ich eine Inspektionsreise unternahm und vierzig Meilen entfernt war?“
„Binnen einer halben Stunde warst du hier“, erinnerte ihn Sam. „Außerdem war ich gezwungen, rasch zu handeln. Ich habe festgestellt, daß hinter dieser Meuterei mehr steckt, als du jemals geahnt und mir erzählt hast. Crowell mag sich in deinem Auftrag in die Verschwörerkreise eingeschlichen haben, aber als Spion hat er versagt.“
„Du wirst ihn sofort freilassen.“
Sam zuckte die Achseln.
„Natürlich. Trotzdem ist er nun nutzlos für dich.“
„Nicht unbedingt.“
„Du hättest mich nur anzurufen brauchen, statt gleich selber auf der Bildfläche zu erscheinen.“
„Ich wollte kein Risiko eingehen“, erwiderte Hale. „Crowell muß die Freiheit wiedererlangen. Ich habe schon die dümmsten Zufälle erlebt. Ein unklarer Befehl, der von einem Posten falsch ausgelegt wird …“
„Ich habe noch nie erlebt, daß du dir soviel Kopfzerbrechen über jemanden gemacht hast. Was liegt dir an Crowell?“
Hale zögerte.
„Ich traue ihm“, sagte er endlich.
Jetzt schwieg Sam.
„Du traust ihm?“ fragte er zuletzt leise. „Du würdest ihm auch dann noch trauen, wenn er mit einer Pistole in der Hand hinter deinem Rücken stünde?“
Hale nickte.
„Vielleicht ist es mir auch noch beschieden, eines Tages einen solchen Mann kennenzulernen“, bemerkte Sam trocken. „Bisher ist mir noch keiner von seiner Sorte über den Weg gelaufen. Na schön, lassen wir Crowell frei. Ich muß ohnehin gleich zur Verhandlung.“
„Du hältst sie schon heute ab?“
„Ja. Ich habe unerwartet erfahren, daß die Gefahren größer und unsere Gegner besser gewappnet sind, als wir geahnt haben. Vielleicht sind sie von den Kuppeln aus unterstützt worden. Ich weiß es nicht. Aber ich habe jetzt auch keine Zeit, dir die Einzelheiten zu berichten. Die Verhandlung wird als Ringsendung vom Fernsehen übertragen, und der Beginn ist in einigen Minuten angesetzt. Komm mit, dann hörst du gleich, worum es geht.“
Trotzdem hielt er sich noch lange genug auf, um das Sirenennetz mit einem zweiten Insekt zu füttern.
„Wo hast du das Vieh her?“ erkundigte sich Hale voller Abscheu.
„Vor einiger Zeit erbeutet.“
„Noch ist es jung. Willst du es behalten? Wenn es heranwächst, wird es gefährlich. Es ist ein Sirenennetz, Sam.“
„Trotzdem“, meinte Sam. „Stell dir vor, es hinge sechs Meter breit da drüben an der Wand …“
„Und du würdest ihm in den Rachen spazieren.“
„Vergiß nicht, daß Hypnotiseure ihren Kummer mit mir haben. Ich werde mich schon vorsehen. Vielleicht lasse ich polarisierte Glasscheiben in den Rahmen einbauen, den Lockgeruch auf irgendeine Weise abschwächen und außerdem noch den Sirenengesang mit Tonfiltern dämpfen. Gehen wir.“
Sie verließen zusammen das Zimmer.
„Wie viele Meuterer hast du festgenommen?“ erkundigte sich Hale unterwegs.
„Ungefähr siebzig. Die meisten können sich an geeigneten Stellen nützlich machen. Einige sind dagegen zu gefährlich, um am Leben zu bleiben …“
Übergangslos brach Sam ab. Er hatte fast schon zuviel verraten.
Die beiden Männer veranlaßten Crowells Freilassung und begaben sich dann in den Saal, in dem die Verhandlung stattfinden sollte. Eine Reihe von Fernsehschirmen zog sich an den Wänden entlang. Überall standen Wachtposten herum. Die siebzig Gefangenen hatte man ungefesselt in einem vergitterten Käfig untergebracht.
Sam begann übergangslos mit seiner Anklagerede, wobei er sich ebenso an die Kolonie und die Kuppeln wie an die Gefangenen wandte. Er beschrieb die ersten Zusammenkünfte der Unzufriedenen, seinen wachsenden Argwohn, daß eine Untergrundbewegung in der Kolonie im Entstehen begriffen war – „in derselben Kolonie, die sich stündlich ausdehnt und sich zum Ziel gesetzt hat, die Dschungel zu erobern, bis zu dem Tag, an dem jedermann unter freiem Himmel auf der Venus leben kann.“
Er hatte die
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