TS 64: Bluff der Jahrtausende
Laufe einer Sekunde von ärgerlicher Ablehnung über belustigte Neugierde bis zu einem freundlichen Lächeln wechselte.
„Natürlich“, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme. „Es ist lächerlich, von Ihnen zu erwarten, daß Sie sich genauso benehmen wie die anderen Leute hier. Wahrscheinlich bin ich es, die sich entschuldigen muß.“
Chet lachte.
„Okay. Vergessen Sie’s und lassen Sie uns einen trinken gehen, ja?“
Zu trinken gab es außer an den Spielautomaten, wo die Versorgung mit Getränken letztlich von der Geschicklichkeit des Spielers abhing, in einer Art Bar, die an den großen Saal grenzte. Die Theke war fünfzig Meter lang, und zehn A-II-C-Robots hatten alle Hände voll zu tun, die Wünsche der Trinkfreudigen zu erfüllen.
Haiko und Chet ließen sich in zwei Gliedersesseln nieder und bestellten Getränke nach Haikos Vorschlag. Nachdem solcherart die Reserviertheit der ersten Minuten überwunden war, entspann sich eine recht lebhafte Unterhaltung, die von Chets Seite her nur zur Hälfte von dem Wunsch gelenkt wurde, Informationen über SUNRISE zu sammeln – zur anderen Hälfte interessierte ihn Haiko selbst. Aber vorläufig war er noch nicht so weit, daß er sich dieses Motiv eingestanden hätte.
Er erfuhr, daß Haiko weder zur Probe, noch fest mit irgend jemandem verheiratet sei, daß ihr Vater als hoher städtischer Beamter arbeite und daß Haikos Familie sicherlich stolz darauf sein werde, wenn Chet Farren sie mit oder ohne Begleiter besuchte. Haiko, von den Getränken angeregt, gab offen zu:
„Ganz einfach ist es nämlich nicht, sich mit solchen Brummbären abzugeben. Deshalb wäre es mir lieber, Sie kämen allein, als daß Sie Ihre drei Männer auch noch mitbringen.“
Chet verstand es als Kompliment, und seine Laune stieg weiter. Er schlug Haiko einen Spaziergang durch den Park vor, der nach Osten hin an das Stadthaus angrenzte, und als er sie, weit von allen Lampen und Zuschauern entfernt, küßte, hatte sie keinen anderen Einwand mehr als:
„Es wäre für mich leichter, mich zurechtzufinden, wenn nicht alles so riesig schnell ginge …!“
Auf einem Umweg kehrten sie zum Stadthaus zurück, und Chet war gerade dabei, Haiko auseinanderzusetzen, was er unternehmen wolle, um seine technischen Kenntnisse zu vervollkommnen und auf SUNRISE einen Posten als Techniker zu finden, als er auf überraschende Weise unterbrochen wurde.
Von irgendwoher klang der berstende, schmetternde Krach einer Explosion. Feuerschein zuckte für den Bruchteil einer Sekunde über den dunklen Himmel, Trümmer schossen über das Dach des Palastes hinweg und fielen klatschend in den Park.
Haiko erschrak so sehr, daß sie über den Beginn des Laufbandes stolperte, das vom Park aus zum Hintereingang des Stadthauses hinaufführte. Chet fing sie auf, hob sie zu sich auf das Band und fuhr mit ihr hinauf. Haiko sagte kein einziges Wort.
Drinnen im Saal herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Chet sah, daß die großen Fenster, die auf den Platz hinausführten, halb eingedrückt waren. Er brachte Haiko zu ihrem Platz und sah sich nach Liu-Sü um.
Von seinen eigenen Leuten sah er nur Pete O’Neill, der immer noch unbekümmert an den Elektronik-Apparaten spielte. Warren Foley und Jaune Viviers schienen verschwunden.
Chet erschien es lächerlich zu glauben, daß die Explosion irgend etwas mit seinem Auftrag auf SUNRISE zu tun haben könne; aber er war seiner Sache nicht völlig sicher.
Es dauerte ein paar Minuten, bis er Liu-Sü zu sehen bekam. Der Kommissar war offenbar draußen gewesen. Er kam auf Chet zu, und obwohl er grau vor Schreck war, machte er ein freundliches Gesicht.
„Eine kleine, bösartige Überraschung“, sagte er leichthin. „Jemand hat das Tor des Himmels in die Luft gesprengt.“
Chet erschrak. Das Tor des Himmels war mehr als ein Nationalheiligtum für den mongolischen Teil der Menschheit. Es zu sprengen, war ebenso schlimm, wie wenn man die Freiheitsstatue im versandeten Hafen von New York zerstört hätte.
„Mein Gott!“ staunte Chet. „Wer hat das getan?“
Liu-Sü zuckte mit den Schultern.
„Das wüßte ich auch gerne.“
„Wie ist denn gesprengt worden?“
Liu-Sü wirkte ziemlich zerfahren. Es dauerte eine Weile, bevor er antwortete:
„Die Ladung saß in der mittleren Säule. Nach meiner Meinung muß es ein altmodischer, chemischer Sprengstoff gewesen sein. Es stinkt nämlich draußen nach allen möglichen Dingen.“
Chet fühlte sich ein wenig erleichtert. Selbst wenn
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