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TS 64: Bluff der Jahrtausende

TS 64: Bluff der Jahrtausende

Titel: TS 64: Bluff der Jahrtausende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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sagte er ein wenig verlegen.
    „Bitte?“ fragte Chet. „Bitten Sie getrost, wir sind Ihnen sehr verpflichtet.“
    Liu-Sü zögerte.
    „Die Stadtverwaltung hat den Empfang zu Ihren Ehren auf morgen früh, 0030 festgesetzt. Ich fürchte aber …“
    Er machte eine wohlberechnete Pause.
    Chet Farren lief es siedendheiß über den Rücken. Wenn jetzt nur einer von den dreien eine erstaunte Bemerkung über die ungewöhnliche Zeit machte, dann …
    Aber Warren Foley nickte nur und sagte gemütlich:
    „Gerade die richtige Zeit für uns, Kommissar. Ich denke, der Chef wird nicht nein sagen.“
    Fragend sah er Chet an.
    „Natürlich werden wir da sein, Kommissar!“
    Liu-Sü strahlte übers ganze Gesicht.
    „Sie sehen“, stellte er fest, „die Stadtverwaltung scheut keine Mühe, Sie als Ihre Gäste zu ehren. Die Sitte, Empfänge und ähnliche Dinge kurz nach Mitternacht anzusetzen, ist nämlich schon seit einigen Jahrhunderten außer Gebrauch. Im allgemeinen beginnt man heutzutage nicht später als sechs Stunden vor Mitternacht – das ist natürlich von Welt zu Welt verschieden.“
    Eben drum, dachte Chet grimmig und registrierte mit einer Gänsehaut, wie nahe sie eben alle vier am Abgrund gestanden hatten.
    Aber die Psychologen hatten nichts vergessen. Auch die Information, daß gegen Ende des dritten Jahrtausends größere öffentliche Feste nicht vor Mitternacht begannen – eine kuriose Sitte, die längst wieder außer Kurs gekommen war – hatten sie den Gehirnen ihrer Agenten tief genug eingeprägt.
     
    *
     
    Chet Farren zweifelte keine Sekunde daran, daß die Art, wie Liu-Sü die verräterische Andeutung dargebracht hatte, eine Fortsetzung des vierzehnstündigen Verhörs an Bord der HARPOONE bedeutete.
    Den Schluß daraus zu ziehen, daß das Mißtrauen der Sunrise-Leute gegenüber der Harpoone-Besatzung noch längst nicht beseitigt war, fiel ihm nicht schwer. Insgeheim war er Liu-Sü für den Hinweis dankbar.
    Er informierte Warren, Pete und Jaune über seinen Verdacht. Er gab ihnen Instruktion für den Fall X, nämlich den Fall, daß der Verdacht des Sunrise-Geheimdienstes sich aus irgendeinem Grund zur Gewißheit verdichtete.
    Die frühen Stunden des Abends benutzten sie, um sich auszuruhen. Der Robotdienst weckte sie eine halbe Stunde vor Mitternacht. Sie kleideten sich an und ließen sich von einem ferngesteuerten Fahrzeug, das die Stadtverwaltung ihnen mittlerweile zur Verfügung gestellt hatte, zum Stadthaus bringen. Hinter diesem nichtssagenden Namen verbarg sich ein gewaltiger Palast aus der Blütezeit der Kolonial-Architektur.
    Liu-Sü, respektheischend anzusehen in einem modernen, metallisch schimmernden Frack, erwartete sie an der Autogiro-Haltestelle. Offensichtlich war er strahlender Laune.
    „Ihren Geschmack muß ich loben“, stellte er anerkennend fest. „Sie haben in der kurzen Zeit vorzüglich eingekauft.“
    Chet winkte ab.
    „Wir haben nichts anderes getan, als uns beraten zu lassen.“
    Er sah sich um und ließ den Blick über den weiten Platz schweifen, der sich vor dem Stadthaus dehnte. Eine Reihe von Säulen fesselte seine Aufmerksamkeit. Liu-Sü bemerkte es und bemühte sich, seine Rolle als stellvertretender Gastgeber zuvorkommend zu spielen.
    „Ein uraltes Nationaldenkmal unserer Rasse“, erläuterte er. „Die Säulen des Himmlischen Tores aus der Kaiserstadt Peking. Von der ersten großen Siedlerwelle auf Raumschiffe geladen – die Leute mußten auf eine Menge Bequemlichkeit während des Fluges verzichten, um die Säulen unterzubringen – und hier wieder aufgebaut. Die Säulen sind mehr als dreitausend Jahre alt.“
    Im Hintergrund lachte Pete O’Neill sein meckerndes, trockenes Lachen.
    „Das imponiert uns wenig, Kommissar“, hörte Chet ihn sagen. „Nach Ihrer Zeitrechnung sind wir selbst ja schon tausend Jahre alt.“
    Liu-Sü verstand Spaß, selbst angesichts des Nationalheiligtums.
    „In der Tat“, lachte er, „das hätte ich fast vergessen!“
    Von dem weiten Platz aus führte ein sanft geneigtes Laufband zum Eingang des Stadthauses hinauf. Inzwischen waren mit allen Arten von Fahrzeugen eine Menge Leute angekommen, die sich von dem Band hinauftragen ließen. Liu-Sü und seine Begleiter wurden erkannt; man machte ihnen ehrerbietig Platz.
    Das Innere des Palastes war für irdische Begriffe ein wenig altmodisch; aber Chet und seine Männer taten sich nicht genug daran, den modernen Geschmack zu preisen. Liu-Sü fühlte sich offenbar geschmeichelt.
    Das Bankett

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