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TS 68: Die Stadt im Meer

TS 68: Die Stadt im Meer

Titel: TS 68: Die Stadt im Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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Wütend lief sie in die Nacht hinein auf den nächsten Wachtposten zu. Die Ärztin sah ihr nach.
    Captain Zee machte die ganze Runde bei den Wachtposten, nur um von jeder zu hören, daß der Mann seit Anbruch der Dunkelheit nicht dagewesen war, daß keine ihn gesehen hatte. Sie kehrte zum Feuer zurück, organisierte einen Suchtrupp und kämmte das ganze Lager gründlich durch. Wolf war weder im Lager noch innerhalb des Kreises, den die Wachen bildeten. Er war fort.
    Die Suche brachte noch etwas anderes ans Tageslicht: Korporal Avon war auch verschwunden.
    Dr. Barra rieb sich die Nase und versuchte, andere Abende zu rekonstruieren. Sie fand nichts, das ihren Verdacht bestätigte und ließ die Sache auf sich beruhen.
    Anders Captain Zee.
    Sie verdoppelte die Wachen mit dem strikten Befehl, das vermißte Paar sofort zu verhaften und unter Bewachung zu ihr zu bringen, wenn es auftauchte. Dann entrollte sie ihren Schlafsack unter einem Wagen neben dem Feuer, um sie zu erwarten. Über dem Warten schlief sie ein und erwachte erst wieder, als die Morgensonne das Lager zu emsiger Tätigkeit weckte.
    Wolf und der Korporal waren fort.

 
7.
     
    Zee ließ das Lager abbrechen und marschierte wütend nach Westen.
    „Ich lasse sie hängen, Barra“, sagte sie wild. „Hängen ist die Strafe für Deserteure.“
    „Du kannst das Mädchen hängen“, antwortete Barra sanft, „aber den Mann wirst du nicht anrühren.“
    „So, werde ich das nicht?“
    „Nein. Ich weiß, daß du es nicht wirst. Ihm wird die Idee wahrscheinlich nicht sehr behagen.“
    „Barra, ich befehlige diese Truppe!“
    „Zugegeben. Aber ihm kannst du nicht befehlen. Hast du das noch nicht gelernt?“
    Zee antwortete nicht. Einmal blieb sie oben auf einem Hügel stehen, um ein letztes Mal nach dem Paar Ausschau zu halten. Aber sie sah nichts als zertrampeltes Gras und die Asche der Feuer, wo ihr Lager gewesen war. Ein heftiger Wind blies über die Prärie. Sie ging weiter den Hügel hinab, der den letzten Lagerplatz verdeckte.
    „Die Soldaten flüstern miteinander, Barra“, sagte sie nach einer Weile. „Sie machen häßliche Bemerkungen.“
    „Wenn du meinst, daß Wolf und das Mädchen ein Verhältnis haben, ja, darüber sprechen sie. Aber ich fürchte, daß niemand deine Ansicht über die Sache teilt.“
    „Aber, Barra … eine von meinen Soldaten! Und ein Eingeborener!“
    „Sobald du erst einmal aufhörst, in ihm einen Eingeborenen zu sehen und ihn als Mann akzeptierst, wirst du auch innerlich Frieden finden, Zee. Die militärische Erziehung hat aus dir einen engstirnigen Reaktionär gemacht. Er ist ein Mann. Und, wie ich schon sagte, ein Mann, wie wir ihn nie zuvor gesehen haben. Ich kann es dem Mädchen nicht verübeln, daß sie sich hat beeindrucken lassen!“
    „Barra, du willst doch nicht etwa Desertion entschuldigen!“
    „Nein, das will ich nicht.“ Sie stolperte im hohen Gras und knurrte etwas vor sich hin. „Ich spreche nicht über Desertion – das ist etwas anderes. Aber ich nehme es dem Korporal nicht übel, daß seine Persönlichkeit sie beeindruckt hat. Ich bin selber beeindruckt.“ Sie sah den Captain an. „Und du auch.“
    „Ich nicht.“
    „Ach, Unsinn!“
    Sie marschierten schweigend weiter. Nur der Wind in den Bäumen und dem Gras und das Quietschen der Wagen war zu hören. Bald hatte auch die Nachhut den Hügel überschritten und marschierte den Abhang hinab.
    Als die Truppe für das Mittagsmahl haltmachte, hatte der Wind an Stärke zugenommen. Plötzliche Böen stießen herab, rissen an der Leinwand der Wagenplanen und drohten, sie in Stücke zu reißen. In der Ferne kämpfte ein großer Vogel gegen den Wind und strebte einer unsichtbaren Zufluchtsstätte zu. Zee beobachtete besorgt den Horizont, wo sich dunkle Wolken als Vorboten eines Sturmes sammelten, eines Sturmes, den sie seit Verlassen der Inseln nicht mehr erlebt hatten. An der Küste gab es keine Stürme, und das Leben in dem langweiligen, friedlich-grauen Klima hatte ihre Widerstandskraft dagegen geschwächt.
    Am Nachmittag verdunkelte sich der Himmel, und ihre Befürchtung bestätigte sich.
    Sie waren mitten auf der Prärie ohne irgendwelchen Schutz, bis auf vereinzelte Bäume. Sie trieb die Truppe an, in der Hoffnung, irgendeinen Unterschlupf zu finden, der sie vor dem Sturm schützte. Die Pferde zeigten eine Nervosität, wie sie sie nie zuvor an ihnen beobachtet hatte.
    „Uns hat’s erwischt, Barra.“
    Barra schnürte ihren Regenmantel los. „Stimmt.

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