TS 68: Die Stadt im Meer
eingestürzt, wenn Sie wissen, was ich meine.“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen!“ Sie runzelte die Stirn.
„Captain – es ist nur … Nun, dieses Haus, zum Beispiel. Man kann sehen, daß es zerfällt, weil niemand es repariert. Aber einige der Häuser da drinnen sind anders. Es sieht nicht so aus, als ob Wind und Wetter sie zerstört haben.“
„Wie sieht es denn aus?“
„Ich weiß nicht, Captain.“ Der Soldat suchte nach Worten. „Ich kann es nicht beschreiben. Aber – wenn man einen Stein so groß wie ein Haus durch eine Wand werfen könnte … nun, so sah es aus, Captain.“
„Sprechen Sie von einer Bombardierung?“
„Ja, Captain. Aber ich kenne keine Waffe, die groß genug wäre, um eine Wand zu durchschlagen oder ein Haus zum Einsturz zu bringen.“
Zee starrte den Soldaten an. Sie kannte auch keine.
Der Regen und Wind hatte am Morgen aufgehört. Zee stapfte hinaus in den Schlamm der Straße und starrte auf die Stadt. Sie fand die Ärztin schon draußen.
Barra starrte wie versteinert auf eine ungefähr eine Viertelmeile entfernte Stelle.
„Wie steht’s, Barra?“
Die Ärztin wandte dem Captain ihr weißes Gesicht zu. „Mach dich auf einen neuen Schock gefaßt, Zee.“
„Was?“ Sie schoß herum und blickte die Straße entlang.
„Sieh mal nach oben“, nötigte Barra sie, „da oben auf dem Hausdach.“
Zee sah nach oben, stolperte rückwärts und rieb sich die Augen. Unbewußt fuhr ihre Hand an die Waffe. Sie stand wie erstarrt.
Die geflügelte Gestalt stand ruhig auf dem Dach und beobachtete sie.
„Die Vögel … die Vögel, die wir gestern gesehen haben?“
Barra nickte. „Das müssen sie sein. Weißt du noch, wie groß sie waren?“
„Aber Barra, das kann doch nicht möglich sein … nicht möglich.“
„Ist aber.“ Sie schürzte die Lippen. „Zee, wenn wir nicht beide verrückt sind, steht da ein Mann mit Flügeln. Mutter der Heiligen, was für Flügel!“
„Ein Mann kann keine Flügel haben!“ Zee machte eine Handbewegung, als ob sie das Bild wegwischen wollte. „Es ist einfach nicht möglich!“
„Es ist möglich. Ich habe ihn fliegen sehen. Ich sah zur Stadt hinüber, und da kam er über die Dächer geflogen. Es ist ein Mann mit Flügeln, Zee. Sieh es ein!“
Der Captain wollte es nicht einsehen. Sie sah ihn, wußte, daß er da war, weigerte sich aber, daran zu glauben. Ihre Hand blieb an der Waffe. Während der ganzen Reise hatte nichts auf etwas Derartiges hingedeutet.
„Barra … wie kann so etwas leben?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Barra, ohne die Augen von dem Wesen abzuwenden. „Und ich meine es in einem anderen Sinn. Man muß ein Rückgrat wie ein Pferd haben, um solche Flügel zu tragen, müßte Muskeln haben … ach, ich weiß nicht. Ich wünschte, ich hätte ihn auf dem Seziertisch.“
Jemand kam gerannt, außer Atem. „Captain, da ist ein …“ Der Soldat blieb stehen. „Ach, da ist ja noch einer.“
„Es gibt noch mehr?“ fragte Zee.
„Drei, Captain. Sie sitzen da und beobachten uns. Komische Dinger, Captain.“
Barra versuchte, ihre Aufregung zu unterdrücken. „Sie existieren also wirklich“, sagte sie trocken. „Wir können nicht alle verrückt sein.“ Sie winkte dem Soldaten. „Vorwärts, Mädchen.“ Und folgte ihr um das Gebäude herum. Drei weitere Männer mit Flügeln saßen auf einem Dach und betrachteten, was unter ihnen vorging.
Eigentlich ging nichts vor. Die Soldaten standen starr beim Anblick des Trios auf dem Dach. Ein Fahrer, der ein Gespann herausführte, stürzte das Dach in helle Aufregung. Beim Anblick der Pferde tanzten die Männer vor Erregung. Ohne Warnung schwang sich einer mit gigantischem Flügelschlag in die Luft und glitt lautlos auf sie zu.
„Ruhig!“ warnte Barra die Gruppe. „Verscheucht ihn nicht. Er ist freundlich.“
Niemand rührte sich. Der Mann landete in einiger Entfernung und legte seine Flügel zusammen. Barra sah, daß sie bis zu den Füßen reichten und sich rings an den Körper anlegten. Sie waren hell, cremefarben. Nach einer Weile hob sich einer der beiden anderen in die Luft und flog in die Stadt hinein. Der dritte blieb, wo er war.
Leutnant Donn sagte: „Die Pferde – er möchte die Pferde sehen!“
„Führen Sie das Gespann zu ihm“, schlug Barra vor.
Donn sah den Captain fragend an, fand aber den Offizier völlig in den Anblick des Mannes versunken. Sie nahm die Zügel aus den Händen des Fahrers und ging los.
„Langsam“, flüsterte Barra.
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