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TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: TS 76: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Robodiener. Ich blieb drinnen. Sie standen da und blickten über das Meer. Nach einer Weile schickte die alte Frau den Robodiener zurück.“
    „Warum?“
    „Ich weiß nicht. Sie wollte allein sein, denke ich. Dann stand sie eine Zeitlang ganz allein da am Ufer. Sie sah über dis Wasser hinaus. Und dann sank sie plötzlich einfach zusammen, mitten in die Salzasche.“
    „Und was dann?“
    „Während ich noch verblüfft hinüberstarrte, sprang der Robodiener auf und rannte auf sie zu. Er hob sie auf. Er stand eine Sekunde da, und dann ging er auf das Wasser zu. Ich sprang aus dem Boot und schrie. Er trat ins Wasser und verschwand, versank im Schlamm. Einfach verschwunden.“ Norton schauderte. „Mit ihr.“
    Andrews warf seine Zigarette weg. Sie glühte noch eine Weile auf dem Boden.
    „Sonst nichts?“
    „Nichts. Das geschah alles in einer Sekunde. Sie stand da und blickte über das Wasser. Plötzlich zitterte sie – wie ein abgestorbener Zweig. Und dann sank sie einfach hin, und der Robodiener war aus dem Beiboot und mit ihr zusammen im Wasser verschwunden, ehe ich überhaupt verstand, was vorging.“
    Der Himmel war jetzt beinahe schwarz geworden. Riesige Wolken zogen über die Sterne dahin. Ein Schwarm großer Vögel überquerte in schweigendem Flug den Horizont.
    Hinter dem Gebirgskamm in der Ferne erhob sich der Mond. Eine krankhaft aussehende, kahle Kugel, schwach gelb gefärbt, wie altes Pergament.
    „Gehen wir ins Schiff zurück“, sagte Andrews. „Mir gefällt es hier nicht.“
    „Ich verstehe einfach nicht, weshalb das geschah. Diese alte Frau.“ Norton schüttelte den Kopf.
    „Der Wind. Radioaktive Giftstoffe. Ich habe mich in Centaurus II erkundigt. Der Krieg hat das ganze System verwüstet. Der Planet ist ein Wrack, sonst nichts.“
    „Dann werden wir nicht …“
    „Nein, wir werden uns nicht dafür zu verantworten haben.“
    Eine Weile standen die beiden schweigend da.
    „Wir werden nichts zu erklären haben. Es ist ganz offensichtlich. Jedermann, der hierherkommt, besonders ein alter Mensch …“
    „Nur, daß sonst niemand hierherkommt …“, sagte Norton bitter. „Besonders kein alter Mensch.“
    Andrews gab keine Antwort. Er ging mit gesenktem Kopf, die Hände in die Taschen vergraben, weiter. Norton folgte ihm schweigend.
    Über ihnen wurde der Mond heller, als er an Höhe gewann.
    „Übrigens“, sagte Norton hinter Andrews, „das ist die letzte Reise, die ich mit Ihnen mache. Ich habe im Schiff schon formell neue Papiere angefordert.“
    „Oh?“
    „Ich dachte, ich sollte es Ihnen sagen. Und meinen Anteil an den tausend Krediten – den können Sie behalten.“
    Andrews Gesicht rötete sich, und er ging schnell weiter, so daß Norton zurückblieb. Der Tod der alten Frau hatte ihn erschüttert. Er zündete sich wieder eine Zigarette an, warf sie dann aber weg.
    Verdammt – es war nicht seine Schuld. Sie war alt gewesen. Dreihundertundfünfzig Jahre. Senil und taub. Ein verblichenes Blatt, das der Wind davongetragen hatte. Der giftige Wind, der diesen Planeten umstrich.
    Irgend etwas glitzerte. Etwas zu seinen Füßen im Salz.
    Andrews bückte sich und tastete in der Finsternis umher. Seine Finger schlossen sich über etwas Hartem. Er hob die kleine Scheibe auf und untersuchte sie.
    „Eigenartig“, sagte er.
    Erst als sie wieder im tiefen Raum waren und auf Fomalhaut zuflogen, erinnerte er sich an die Scheibe.
    Er stand auf und durchsuchte seine Taschen danach. Die Scheibe war abgegriffen und dünn. Und ungeheuer alt. Andrews rieb sie und spuckte darauf, bis sie so sauber war, daß man sie erkennen konnte. Ein schwacher Eindruck – sonst nichts. Er drehte sie um. Ein Amulett? Eine Beilegescheibe? Eine Münze?
    Auf der Rückseite waren ein paar unverständliche Buchstaben. Irgendeine alte, vergessene Schrift. Er hielt die Scheibe ans Licht, bis er die Buchstaben erkennen konnte.
    Fifty Cents
    Er zuckte die Achseln und warf das alte Metallstück in einen Abfallbehälter. Dann wandte er sich wieder seinen Sternkarten zu.

 
Der Nachkomme
    (PROGENY)
     
    Ed Doyle rannte. Er besorgte sich eine Taxe, wedelte mit einer Fünfzigkreditnote vor dem Gesicht des Robotfahrers herum und wischte sich mit einem roten Taschentuch den Schweiß vom Gesicht. Er öffnete den Kragen. Den ganzen Weg bis zum Krankenhaus schnaufte er stoßweise.
    Die Taxe hielt sanft vor dem großen Krankenhausgebäude mit der weißen Kuppel an. Ed sprang heraus. Er nahm beim Laufen drei Stufen auf einmal und

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