TS 81: Das Problem Epsilon
„Du würdest sie wieder verderben. Ich werde dich nicht mitnehmen.“
„Aber“, Crane suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, „das kannst du doch nicht tun. Mich – wo ich doch du bin – mich so zu hintergehen.“
„Du hast den Anfang gemacht. Du wolltest mich verhaften.“
„Und du könntest den Abschluß machen.“ Crane bemühte sich, Überzeugung in seine Worte zu legen, zumal Thacker von Wort zu Wort unsicherer wurde. „Es liegt in deiner Hand. Laß uns zusammen gehen.“
„Du bleibst hier. Du wirst dich der Amnestie unterziehen lassen.“
„Thacker!“
„Du bleibst hier.“
„Thacker. Ich bin doch du.“
„Nein, du bleibst …“ Thacker gab es auf. Der Lauf der Waffe senkte sich, zielte auf den Boden, als sie in seiner Hand baumelte. Er wußte nicht, daß er damit Crane und sich selbst eine Fahrkarte zur Hölle reichte.
Diesen Augenblick nutzte Crane. Er schlug zu. Noch während Thacker zu Boden fiel, hatte Crane seine Pistole in der Hand. Ungläubiges Erstaunen leuchtete aus den hellen Augen Thackers.
„Aufstehen!“ befahl Crane.
Thackers Überraschung verschwand so jäh, daß Crane zusammenzuckte. Der Blick des anderen wirkte, als habe er mit sich und der Welt abgeschlossen. Es war ein Ausdruck äußerster Verzweiflung.
Mit einem tierischen Schrei stürzte sich Thacker auf Crane.
Und dann geschah alles so schnell, daß das Auge nicht mehr mitkam.
Thacker befand sich gerade in der Schußlinie. Das Nadelgeschoß löste sich aus der Waffe und durchbohrte ihn, noch bevor er Crane zu Fall bringen konnte.
*
Crane setzte sich und rauchte mit zittrigen Händen eine Beruhigungszigarette. Dann durchsuchte er die Wohnung.
Nach einer Stunde gab er auf. Die Akte war zu gut versteckt. Er würde Earnest bei seinem Bericht eine dementsprechende Notiz machen. Dann konnte sich ein anderer um die Sache kümmern.
Er holte ein kleines, flaches Gerät aus seiner Brusttasche und schaltete es ein.
Earnest hatte ihm aufgetragen, einen Bericht über den Fall Akte 02 an das zuständige Amt der Interzeit-Kontrollbehörde Ära IV zur Weiterleitung abzugeben.
In kurzen Sätzen schilderte er den ganzen Verlauf der Geschehnisse. Er verheimlichte nichts, sondern betonte wahrheitsgetreu seinen Versuch, Thackers wirkliches Interesse an den Dokumenten aufzudecken. Daß er dabei einige Formalitäten überging, erklärte er als Folge seines speziellen Vorgehens.
Er wies weiter darauf hin, daß er mit seiner Lösung des Falles eine Zeitkorrektur vorgenommen hätte – und zwar absichtlich. Da er ermächtigt sei, derartige Veränderungen in eigener Person durchzuführen, sobald er sie für notwendig hielt, habe er Thacker verhaften wollen, was zu dem unglücklichen Todesfall führte.
Er schloß mit dem Eid, die Vorfälle wahrheitsgetreu berichtet zu haben.
Dann zog er die Folie aus dem Gerät und drückte seine Fingerkuppe an den unteren rechten Rand. Er rief die Interzeit-Behörde Ära IV über das kleine Telegerät in Thackers Wohnung an und bestellte einen Wagen.
*
Sidney Crane trat aus dem Zeittransmitter. Als er den angrenzenden Raum betrat, bemerkte er, daß die Kontrollpulte an den Wänden verlassen waren. Kein Techniker war weit und breit zu sehen. Dafür wurde er von Sir Walt Earnest und zwei ihm unbekannten Agenten im üblichen grauen Elastikanzug empfangen.
Er streckte Earnest die Hand hin, und dieser schüttelte sie mit einem sonderbaren Ausdruck in den Augen.
Ohne Übergang sagte Earnest:
„Es tut mir leid, Mister Crane – aber ich muß Sie verhaften!“ Crane starrte ihn verständnislos an.
„Aber … weswegen?“
Earnest drehte sich langsam um. „Ich habe am Tage vor der Tatnacht ein Schreiben erhalten – aus Ära IV“, erwiderte er, einen Bogen Papier von einem Pult nehmend. „Doch sehen Sie selbst.“ Er reichte es Crane.
Dieser las:
Gerichtet an Interzeit-Kontrollbehörde, z u Händen Sir Walt Earnest.
Um eine Zeitfraktur im Sinne des § 3 ZSG zu verhüten, fordere ich Sie höflichst auf, Mister Sidney Crane, Beamter Ihrer Behörde in Ära III, unverzüglich bei Rückkehr aus dem Transmitter am Dienstag, den 2. März 2408, um 0900 Uhr Ortszeit zu verhaften.
INTERZEIT-KONTROLLBEHÖRDE ÄRA IV
Sir W. J. Anastos
Crane schien noch immer nicht zu verstehen. Man sah ihm deutlich an, er war verblüfft.
„Und … meine Verhaftung?“ fragte er.
„Ich bin noch nicht fertig. Vor einigen Minuten erhielt ich folgendes, etwas später aufgegebenes
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