TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
Sonnensystems.“
„Einen Augenblick“, meldete sich Madame Szenczowska zu Wort. „Soweit ich informiert bin, besteht gegen Doktor Keith der dringende Verdacht, einen Polizeioffizier ermordet zu haben. Was sagen Sie dazu, Professor Corell?“
Corell hatte diese Frage seit langem erwartet und befürchtet. Ehe er jedoch antworten konnte, griff Yamura Takata ein. Er erhob sich und sagte mit fester Stimme:
„Ich glaube, es ist an der Zeit, daß auch ich meine Karten auf den Tisch lege. Wie Sie alle aus meiner bisherigen Tätigkeit als Führer der Matsuko-Partei und als Senator dieses Rates wissen, bin ich einer der schärfsten Gegner der Verwendung humanoider Roboter in unserer Wirtschaft und Gesellschaft.
Auch ich habe Doktor Keith zu beeinflussen versucht, und ich bin ehrlich genug zuzugeben, daß es in Ihrem Sinne nach der negativen Richtung war. Hendrik de Vaal, der eben erwähnte Polizeioffizier, wurde nicht erschossen; zerstört wurde vielmehr eine humanoide Nachbildung ohne Gehirn.
Es war dies eines der Mittel, mit denen ich Keith zu zwingen versuchte. Es war vergeblich. Da ich nunmehr feststellen mußte, daß mein heftigster Gegenspieler, Professor Corell, tatsächlich auf unserer Seite steht, ist es nur fair, dies zu seiner Entlastung beizutragen. Meine Aufnahmen stehen dem Rat zur Verfügung.“
Senator Takata lehnte sich mit gleichgültiger Miene zurück, als wisse er nicht, daß er mit diesem Zeichen von Fairness zugleich ein erhebliches Kapital für Propaganda eingespart hatte.
Das Gericht kam zu dem einstimmigen Beschluß, die Verhandlung am nächsten Morgen mit der Vernehmung des Hauptzeugen Dr. Elmar Keith fortzusetzen.
*
Joan schaute mit ausdruckslosem Gesicht zu, wie Keith das Iridiumplättchen an seiner Stirn befestigte.
„Willst du wirklich so unter die Leute gehen?“ fragte sie heiser. „Sie werden dich lynchen.“
„Seit gestern weiß ich genau, auf welcher Seite ich stehe“, antwortete Keith ernst. „Als Humanoid muß ich mich genau an die Gesetze halten.“ Er nahm ihre Hand und streichelte sie leicht. „Leb wohl, Joan! Und drücke mir die Daumen!“
„Auf Wiedersehen, Elmar“, sagte sie tonlos. Dann wandte sie sich ab und drückte die Taste des Automaten ein.
Keith flog den Schrauber in die Nordstadt und setzte ihn auf eine der Wohnwaben ab. Der Lift brachte ihn hinab in das zwölfte Stockwerk. Vor dem sechsten Apartment in dem langen Flur fand er das kleine Schild, das er suchte:
Dr. Annette Lembeck
– Psychologin –
Annette Lembeck öffnete nach einem kurzen Blick in den Visor sorglos die Tür. Sie war noch keine dreißig Jahre alt und trug einen sandgelben Morgenmantel, der durch einen Gürtel fast militärisch straff gebunden war. Ihr dunkles Haar fiel offen auf die Schultern. In ihrem hübschen verschlafenen Gesicht fielen Keith sofort die fast bernsteingelben Augen auf. Sie mußte eine Mutantin sein. Dr. Lembeck machte eine einladende Bewegung:
„Treten Sie bitte näher. Was kann ich für Sie zu dieser mitternächtlichen Stunde tun?“ fragte sie und gab sich keine Mühe, ein Gähnen zu unterdrücken. Ihre Hand fiel aus halber Flöhe wieder herab. Keith war von den Sonnenstrahlen geblendet, die durch die Glastür im Hintergrund gerade in seine Augen fielen.
Er lächelte belustigt und sagte ruhig:
„Guten Morgen, Doktor Lembeck, ich habe Sie vorgestern angerufen. Ich bin Elmar Keith.“
Ihre Augen weiteten sich erschreckt. Mit einem Satz verschwand sie hinter einer Tür, die sie mit dem nackten Fuß hinter sich zuschlug.
„Gehen Sie durch die Glastür und fühlen Sie sich einstweilen wie zu Hause“, kam es dann durch den Spalt, der sich sofort wieder schloß.
Keith ging der Sonne entgegen und öffnete die gläserne Schiebetür zu dem geschmackvollen Wohnzimmer.
Zwei Zigarettenlängen später trat Dr. Lembeck, jetzt komplett angezogen, herein. Sie balancierte auf einem Tablett ein Frühstück für zwei Personen. Sie fragte belustigt: „Laufen Sie Reklame für Ihre Sorgenkinder? Ich habe wirklich geglaubt, Sie seien ein Humanoid.“
„Seien Sie beruhigt, Doktor Lembeck“, antwortete Keith höflich. „Ich sehe Sie in dieser Sekunde zum ersten Male. Vorhin habe ich zu sehr an meine Probleme gedacht.“
„Das ist nett, Doktor Keith“, sagte sie lachend und setzte sich in einen Sessel. „Ich habe noch nicht gefrühstückt. Greifen Sie bitte zu.“
„Danke. Haben Sie keinen Televisor, Doktor Lembeck?“ fragte Keith, während er sich
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