TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
Außerdem dürften Sie als Vater wohl kaum fähig sein zu erfassen, was Joan für einen Mann bedeuten kann. Das vermag nur ein Mann, der in sie verliebt ist. Sie wüßten niemals, wie ein derartiger Modul aussehen muß.“ Ganz kurz glitt ein jungenhaftes Lächeln über Keiths Gesicht. „Überdies möchte ich bezweifeln, ob fünf Moduln für ein solch kompliziertes und rätselhaftes Geschöpf wie Joan ausreichen würden. Es sei denn, sie wäre ein – weiblicher Robot.“
Corell klimperte einen Augenblick zu lange mit den Trockeneisperlen in seinem Whisky-Soda, ehe er aufschaute.
„Was wollen Sie damit sagen?“ Seine Stimme sollte uninteressiert klingen. Es gelang ihm nicht ganz.
„Nichts“, antwortete Keith leise. „Nichts, als daß dies die einzige Möglichkeit für Sie wäre, von Joans Anmut und Charme einen Modulabdruck anzufertigen.“
Corell schwieg.
„Aber lassen wir Joan aus unserem interessanten Spiel. Ehe ich’s vergesse: ich möchte Sie noch meiner Bewunderung für die neuen Moduln versichern. Die Erfindung ist ihres Schöpfers würdig, aber ich wette einen weiteren dieses ausgezeichneten Synthetics dagegen, daß Betty nicht nur nachgerechnet hat.“
„Die Wette haben Sie gewonnen, Elmar“, antwortete Corell wieder heiter und tastete Joans Kode.
*
Corell bat Joan, seine Tabletten mit einem Glas Wasser zu bringen. Keith hatte sich oft gewundert, warum Professor Corell keinen Bedienungsroboter hielt. Jeder Humanoid würde eher bei ihm als bei allen anderen eine Stellung annehmen. Corell schien eine Abneigung gegen jegliche Maschinen im Hause zu haben.
Einzig die Küche war ein Wunderwerk moderner Wohntechnik. Natürlich, Corell aß und trank gern und gut.
Von Joan ging die Rede, daß es kein Gericht gäbe, das sie nicht meisterhaft zubereiten könne. Die Stammrezepte, welche den humanoiden Köchen eingespeist wurden, stammten größtenteils aus ihrer Versuchsküche. Aber das war nur eines ihrer vielen Hobbys.
Joan trat herein, als Corell gerade beiläufig erklärte, sein Herz mache seit einem halben Jahr mehr Seitensprünge, als es seiner Gesundheit zuträglich sei. Corell wurde alt, er konnte es nicht verheimlichen.
Der Professor war ein Mann, der absolut nicht in das Klischee der Menschen im 30. Jahrhundert paßte. Ein Humanoid hätte seine Gestalt taktvoll als unrationell, sein Gesicht aber als unmodern bezeichnet, wenngleich fett und strahlend-heiter als Adjektiva der Wahrheit eher entsprachen.
Auf eine Länge von gut einem Meter sechzig waren mehr als neunzig Kilogramm so verteilt, daß der Schwerpunkt genau auf halber Höhe lag, was um so merkwürdiger erschien, wenn man die knabenhafte Figur seiner Tochter daneben sah. Sein Gesicht strahlte meist eine erfrischende Heiterkeit, eine unzeitgemäße Lebensfreude aus, und man merkte erst auf den zweiten Blick, daß Corell jeglicher Mode zum Trotz keine Perücke trug, obwohl er eine spiegelnde Glatze hatte.
Im Ganzen erweckte er eher den Eindruck des Kellermeisters irgendeiner mittelalterlichen Abtei, als den des Schöpfers der nahezu vollkommenen Humanoiden.
Keith schenkte sich den gewonnenen Whisky ein und erhob sein Glas unauffällig gegen Joan.
*
Als sie wieder allein waren, wurden Keiths Gesichtszüge schlagartig sachlich.
„Bevor Sie mir nun die Gründe für Ihre ungesetzlichen Manipulationen erklären, möchte ich Ihnen drei Axiome darlegen, von denen ich auf keinen Fall abweichen werde. Zum ersten: ich bin – wie Sie – vereidigter Angestellter des Rates, nehme es damit aber offenbar ernster als Sie. Zum anderen: ich werde niemals für die Gleichberechtigung einer Maschine plädieren, und zum letzten: ich bin verpflichtet, alles zu tun, um Bestrebungen in diesem Sinne zu verhindern. Nun Ihre Gründe – wenn Sie es noch wünschen!“
„Finden Sie die Situation nicht etwas gewagt, Ihren ehemaligen Lehrer zur Rechenschaft aufzufordern?“
Keith verzog ironisch seine Mundwinkel. „Ich finde, Ihre Situation entbehrt ebenfalls nicht einer gewissen Delikatheit.“
„Also gut.“ Corell blinzelte einen Augenblick nachdenklich. „Ich denke, ich fange ebenfalls mit drei Axiomen an: ich glaube, jeder Android ist um ein vielfaches zivilisierter, kultivierter und humaner als jeder Mensch. Stimmt das?“
„Ich bin davon überzeugt.“
„Damit ist er um ein Vielfaches wertvoller für die menschliche Gesellschaft …“
„Nein“, unterbrach Keith, doch Corell achtete nicht darauf.
„Es muß alles getan
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