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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. Sprague de Camp
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deutete auf den Toten.
    „Mein jüngerer Bruder.“
    „Das tut mir leid. Aber willst du nicht mit mir kommen und helfen, wieder etwas Ordnung in die Truppe zu bringen? Dort draußen sind hundert Kürassiere, und niemand bewacht sie. Wenn sie zu sich kommen, werden sie einen Ausbruchsversuch unternehmen.“
    „Nein, ich bleibe bei meinem Bruder.“ Und Gaina fuhr fort zu weinen.
     
    *
     
    Der Zug aus Truppen und Gefangenen zog auf der Latiner-Straße nach Norden. Padway war immer noch etwas benommen bei dem Gedanken, daß er selbst jetzt das Kommando über die gotische Armee führte, ganz einfach, weil er in der Nacht nach Liuderis’ Tod die Verantwortung übernommen hatte, um ein völliges Chaos abzuwenden. Die Besten sterben immer zuerst, dachte er traurig und erinnerte sich an den einfachen alten Soldaten, der jetzt tot in einem der Planwagen in der Nachhut lag. Dann mußte er an den verräterischen kleinen König denken, um den er sich wieder würde kümmern müssen, sobald sie nach Rom zurückkamen.
    Belisarius hielt sich an Padways Seite. Der kaiserliche General war ein überraschend junger Mann, vielleicht Mitte der dreißig, groß und etwas kräftig gebaut, mit grauen Augen und lockigem braunem Haar. Seine slawische Herkunft konnte man an seinen breiten Backenknochen erkennen.
    Soeben sagte er ernst:
    „Verehrter Martinus, ich sollte Euch für die Großmut danken, die Ihr meiner Frau erwiesen habt. Ihr habt Euch wirklich sehr darum bemüht, ihr diese traurige Reise bequem zu machen.“
    „Schon gut, verehrter Belisarius. Vielleicht gerate ich eines Tages in Eure Gefangenschaft.“
    „Das scheint mir nach diesem Fiasko kaum wahrscheinlich. Übrigens, wenn ich fragen darf, wer seid Ihr eigentlich? Ich hörte, daß man Euch Martinus, den Geheimnisvollen, nennt! Ihr seid kein Gote, ja Eurer Sprache nach nicht einmal ein Italer.“
    Padway wiederholte wieder einmal seine Litanei von Amerika.
    „Wirklich? Diese Amerikaner müssen ein in kriegerischen Dingen sehr bewandertes Volk sein. Ich wußte sofort, als der Kampf begann, daß ich es nicht mit einem Barbarenheerführer zu tun hatte. Dazu war die zeitliche Planung viel zu gut, besonders, was diesen Kavallerieangriff angeht. Puuuhh! Ich rieche immer noch diesen verdammten Schwefel!“
    Padway lächelte undurchsichtig. Dann fragte er: „Wie würde Euch der Gedanke gefallen, auf unsere Seite überzutreten? Wir brauchen einen guten General, und ich selbst habe als Thiudahads Quästor alle Hände voll zu tun.“
    Belisarius runzelte die Stirn. „Nein, ich habe Justinian einen Eid geleistet.“
    „Na schön. Aber Ihr wißt ja vielleicht, daß ich manchmal etwas in die Zukunft sehen kann. Und ich kann Euch sagen, daß Justinian um so gemeiner und undankbarer Euch gegenüber werden wird, je treuer Ihr sein werdet. Er wird …“
    „Ich habe nein gesagt!“ erklärte Belisarius fest. „Ihr könnt mit mir tun, was Ihr wollt. Aber wenn Belisarius einmal nein gesagt hat, bleibt es dabei.“
    Padway gab sich für den Augenblick geschlagen.
    „Wo ist eigentlich Euer Sekretär, Procopius von Caesarea?“ wollte er wissen, weil er sich daran erinnerte, daß er den Großteil seiner geschichtlichen Kenntnisse aus dem Werk des Procopius entnommen hatte.
    „Ich weiß nicht. Er war in Süditalien und ist wahrscheinlich gerade zu uns unterwegs.“
    „Gut. Wir werden ihn einfangen. Wir brauchen einen tüchtigen Historiker.“
    Belisarius’ Augen weiteten sich.
    „Woher wißt Ihr von dem Geschichtswerk, für das er Notizen sammelt? Ich dachte, er hätte davon niemand außer mir berichtet.“
    „Oh, ich habe da meine Mittel. Deshalb nennt man mich auch den Geheimnisvollen.“
    Sie betraten Rom durch das Latinertor und zogen dann weiter in nördlicher Richtung, am Circus Maximus und dem Kolosseum vorbei und dann das Quirinaltal hinauf zum alten Viminaltor und dem Prätorianerlager.
    Hier gab Padway Anweisung, die Gefangenen in Gewahrsam zu nehmen, worauf er Gudareths befahl, Posten aufzustellen.

 
11.
     
    Nach einigem Suchen machte Padway Thiudahad in der ulpiniaschen Bibliothek ausfindig. Der kleine Mann war hinter einem riesigen Stapel von Büchern kaum zu sehen. Vier Leibwächter lagen auf dem Fußboden und auf Bänken herum und schnarchten.
    Thiudahad blickte auf und musterte Padway aus seinen kurzsichtigen Augen.
    „Oh, das ist ja der Verleger. Martinus, nicht wahr?“
    „Richtig, hoher Herr. Vielleicht darf ich hinzufügen, daß ich Euer neuer Quästor

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