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Tschoklet

Titel: Tschoklet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Pflug
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war zwar komplett deformiert und zerstört, doch das Bodenstück war noch gut erkennbar. Während er es mit einem Tuch reinigte, blätterte er mit der freien Hand in einem großen Buch, wo Hunderte von Patronen und Geschossen von allen Seiten abgebildet waren. Zahlreiche Handnotizen und eingesteckte Zettelchen sowie Eselsohren an den Seitenecken zeugten vom ständigen Gebrauch.
    Die Privates Boone und Jonas standen interessiert neben dem Tisch und verfolgten Wilsons Hantieren.
    »Kann man da noch was erkennen?«, wollte Boone wissen. »Die Kugel ist doch völlig hinüber!«
    Wilson sah kurz auf. »Nein, das Projektil hat nur die üblichen Verformungen. Da lässt sich aber noch einiges erkennen. Stören Sie mich bitte nicht!« Demonstrativ schaltete er die Schreibtischlampe an, setzte sich seine Brille auf und blätterte erneut in seinem Buch. »Das ist es. Aha. Sehr interessant!« Er machte sich eine Notiz auf einem Zettel, steckte das Geschoss in eine kleine Papiertüte mit einer Zahl drauf und ließ das Tütchen in der Schreibtischschublade verschwinden. Dann klappte er das Buch zu, knipste die Lampe wieder aus und stand auf. »Wir gehen jetzt zu Ihrem Captain. Das wird ihn interessieren.«
    »Was denn?« Boone machte einen langen Hals in Richtung Wilson.
    Dieser blickte nur geheimnisvoll zurück, schwieg und grinste. Nach fünf Minuten Fußmarsch zurück zur Materialbaracke schaute er Boone und Jonas erneut an.
    »Warum sind wir eigentlich so neugierig?«
    »Ich will es jetzt wissen!«, platzte Boone heraus. Jonas knuffte ihn in die Rippen.
    »Wenn Ihr Vorgesetzter es Ihnen sagen will, wird er es sagen. Von mir erfahren Sie nichts.«
    Boone machte ein beleidigtes Gesicht. Er zog Jonas beiseite und flüsterte: »Ich geh noch mal zurück und schau nach, was er auf den Zettel geschrieben hat. Ich muss es unbedingt wissen!«
    »Bull, bleib hier! Edwards wird uns schon noch informieren!«
    »Nein! Ich will es gleich wissen!«
    »Bull, mach keinen Unsinn! Bull …!«
    Private Boone verabschiedete sich plötzlich hastig von Master Sergeant Wilson mit der Begründung, er müsse mal kurz austreten, käme aber später nach. Dann verschwand er mit einem schiefen Grinsen und gespielter Nervosität nach links in einem leer stehenden Gebäude, an dem sie gerade vorbeigekommen waren. Mit ungläubigem Erstaunen sahen Wilson und Jonas dem Private hinterher, als dieser in dem Gebäude verschwand. Scheinbar hatte er das Schild neben der Tür nicht beachtet, sonst wäre er sofort umgekehrt:
     
    UNEXPLODED ORDNANCE DEVICE! DANGER OF COLLAPSE! KEEP OUT!
    (BLINDGÄNGER! ACHTUNG EINSTURZGEFAHR! BETRETEN VERBOTEN!)
     
    Doch Boone kam nicht wieder, er wunderte sich nur, dass hier drin alles drunter und drüber geworfen war, das Erdgeschoss einer Baustelle glich und die Wände überall Risse und Löcher hatten. Er betrat den erstbesten Raum, um durch das zerborstene Fenster an der Rückseite wieder hinauszusteigen. Als er sich beim Hinausklettern umdrehen musste, bemerkte er, dass er die halb in der Zimmerdecke steckende Fliegerbombe nur um wenige Zentimeter mit seinem Kopf verfehlt hatte. Spontan bekam er einen Schweißausbruch und zittrige Hände. Noch nie war er einer scharfen Bombe so nahe gewesen. Durch seine Unaufmerksamkeit rutschte er mit den Stiefeln an der Hauswand ab und schnitt sich die rechte Hand an den im Fensterrahmen steckenden Glasscherben auf. Sein Blick war unverändert auf das Objekt gerichtet, dass er den Schmerz gar nicht bemerkte. Sein Blut tropfte an der weißen Wand herunter. Boone wollte schnell weg von diesem Mordinstrument aus Stahl und Sprengstoff. Er bemerkte auch nicht, dass er gerade sein Notizbuch mit allen Adressen und Bemerkungen zu den Vorgesetzten verloren hatte. Er wuchtete seinen Körper rückwärts durch den Fensterrahmen, rutschte mit den Stiefeln schief an der Außenwand herunter und sprang auf den Boden mit dem vertrockneten Gras.
    Er schüttelte den Staub ab und rannte schnaufend wie ein wütendes Nashorn mit gesenktem Blick an der Rückseite der Häuserruine entlang. Als er um die erste Ecke des nur teilweise beschädigten Nachbargebäudes bog, prallte er mit einem überraschten Wachsoldaten zusammen, der nicht damit rechnete, von hundertdreißig Kilo Lebendgewicht überrannt zu werden. Beide stürzten gemeinsam zu Boden, der Kopf des Streifenmanns schlug auf den Boden auf, Stahlhelm und Gewehr rutschten klappernd umher. Boone raffte sich auf, schob den wehrlosen Wachmann beiseite und hastete

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