Tschoklet
weiter. Das Blut aus seiner rechten Hand hinterließ eine unregelmäßige Tropfenspur auf dem Boden. Als er nach einigen Minuten der Suche und des Umherirrens zwischen den vielen Gebäuden die Baracke und die Holztür des Büros von Wilson erreichte, hielt er kurz inne, um an der Tür zu verschnaufen. Erst jetzt bemerkte er das Blut an seiner Hand. Egal. Mit einem mächtigen Ruck riss er die überraschenderweise unverschlossene Tür auf und verschwand in dem stockdunklen Raum.
Er tastete im Dunkeln nach der Schreibtischlampe und dem Werkzeugtisch. Fluchend stieß er gegen den blechernen Mülleimer, der sofort umfiel und auf den Dielen herumrollte. Dann ertastete er den Lampenschirm und den Lichtschalter auf dem handgeschnitzten Bodenstück und drückte ihn. Die Lampe flammte auf und Boone blieb vor Schreck fast das Herz stehen. Vor ihm auf dem Stuhl saß Master Sergeant Wilson und hielt eine feuerbereite Maschinenpistole direkt auf ihn gerichtet. Weiter hinten im Raum konnte er den Wachmann erkennen, den er kurz zuvor an der Hausecke umgerannt hatte. Auch dieser hatte sein Gewehr auf ihn angelegt.
»Willkommen zurück, Private Boone! Wir haben Sie schon erwartet!«
Boone konnte nur schlucken, er war so außer Puste, sein Mund war trocken wegen des Schrecks mit der Bombe und dem rastlosen Rennen, Schweiß lief ihm den Rücken hinunter. Seine Uniform war stark verschmutzt und das heruntertropfende Blut seiner rechten Hand bildete eine kleine Pfütze auf dem Boden. Er konnte nur schlucken, schnaufen und staunen.
Seine Arme hingen mutlos herunter, als er sich widerstandslos vom Wachmann die Handschellen anlegen ließ.
Hätte er doch Captain Edwards später freundlich nach der Info gefragt, wäre er sicher früher oder später informiert worden. Jetzt aber war er beim Einbruch und versuchten Diebstahl erwischt worden und Jonas war nirgendwo zu sehen. Jonas hatte ihm schon ein paar Mal aus einem Schlamassel herausgeholfen, doch diesmal sollte alles anders laufen, als er sich je hätte denken können.
Boones Gehirn arbeitete fieberhaft. Er musste abwägen zwischen Flucht mit Handschellen oder einem Abwarten, was als Nächstes passierte, entschied sich aber für das Zweite. Vielleicht käme es ja doch nicht so schlimm. Die weitere Arbeit im Team von Captain Edwards würde er sich wohl abschminken können. Sergeant Vickers hatte ihm bereits mit Konsequenzen für die Beschimpfung gedroht. Auch dies wäre ein weiterer Grund, um die Scouts verlassen zu müssen. Hoffentlich würde die Bestrafung nicht so drastisch ausfallen!
Boones Vater hatte ihn einmal, weil er ihn knutschend mit einem Mädchen gefunden hatte, im Keller eingesperrt. Weil aber Boones Vater ein trunksüchtiger Schläger war und öfters von der Polizei in die Ausnüchterungszelle gesteckt wurde, hatte er seinen Sohn völlig vergessen und dieser musste eine Woche zwischen Eingemachtem und hungrigen Ratten im Dunkeln verbringen.
Aus dem schlaksigen, fröhlichen achtzehnjährigen Stanley wurde innerhalb von nur acht Monaten ein übergewichtiger, ungepflegter junger Mann, der seine Ängste, Panikattacken und depressiven Phasen mit einer abrupten Änderung der Lebensumstände zu kurieren hoffte. Deswegen meldete er sich von einem auf den anderen Tag beim Militär.
I WANT YOU FOR U.S.ARMY!
Das Schild im Rekrutierungsbüro, mit Onkel Sam, dem alten Mann, der mit dem Finger zeigte, war das, was ihm wieder in den Sinn kam. Die Armee brauchte ihn und sollte ihn bekommen. Mehr, als ihr vielleicht lieb war.
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als Wilson plötzlich von seinem Werkzeugtisch aufstand und mit der Maschinenpistole zur Tür deutete.
»Los, gehen Sie!« Der Wachmann schubste ihn grob aus der Baracke heraus in das grelle Tageslicht, Wilson folgte mit einigem Abstand.
Woher hatten die gewusst, wo er, Boone, hinwollte? Konnte der Sergeant Gedanken lesen? Er hatte doch alle mit seinem angetäuschten Gang zur Toilette an der Nase herumgeführt, die Idee war spitzenmäßig gewesen! Keiner war ihm gefolgt. Langsam trottete das Grüppchen zurück in Richtung der Materialbaracken, den gleichen Weg, wie sie ihn vor zwanzig Minuten schon einmal gegangen waren.
Wieder passierten sie das Haus, in das Boone so schnell verschwunden war. Jetzt erkannte dieser auch die Tafel mit der Warnung. Dies war der Hinweis, warum Wilson sofort merkte, dass er nicht zur Toilette wollte! Oh, mein Gott! Er hatte dieses verdammte Schild überhaupt nicht gesehen! Er stellte sich
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