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Tschoklet

Titel: Tschoklet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Pflug
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Anlauf, indem er mit der rechten Hand nach rechts in Richtung Wald deutete und langsam »Swetzingen« sagte, während er die junge Frau ansah, dann mit der Linken die gleiche Bewegung in die andere Richtung machte und langsam »O… O… Ockeneim?« fragte.
    Die Frau sah ihn jetzt direkt an, ein paar Tränen waren die staubigen Wangen heruntergelaufen. Sie schüttelte erneut den Kopf und flüsterte leise: »Ketsch.«
    Roebuck lehnte sich enttäuscht nach hinten und sah Jonas an, der ihm am nächsten saß. Was meinte sie bloß mit ›fangen‹? Was sollte er fangen? Er sah sie wieder an, zuckte die Schultern und wiederholte »Catch?«
    »Ja, Ketsch.« Sie nickte.
    Es war sinnlos weiterzufragen. Die Frau antwortete wirres Zeug. Er verstand es nicht.
    Letchus hatte eine Idee. Er räusperte sich kurz und sprach sie auf Französisch an: »Mademoiselle, wir kommen aus Schwetzingen und möchten nach Hockenheim. Ist das der Weg nach Hockenheim?« Er sprach das letzte Wort ganz deutlich aus.
    Das Mädchen zuckte wie vom Donner gerührt zusammen, hatte aber scheinbar etwas verstanden, dann kauerte sie sich wieder zusammen und fing laut an zu schluchzen. »Nein, nein, bitte nicht, nein!«
    Letchus sah Roebuck auch verständnislos an. Was sollte er bitte nicht machen? Hatte sie Angst vor ihnen? Letchus ging langsam ein Licht auf, als er die Geschehnisse der letzten fünf Minuten noch mal überdachte. Mein Gott, sie hält uns für Franzosen! Ich Idiot spreche sie auch noch auf französisch an! Sie denkt, wir wollen ihr was tun! Was zum Teufel machen die Franzosen mit den Deutschen, dass man so eine Angst vor ihnen hat? Vor allem, was machen die Frenchys hier in der amerikanischen Zone?
    Letchus streckte seine Hand aus und streichelte der jungen Frau vorsichtig über die Schulter, dann flüsterte er wieder auf Englisch: »Wir sind keine Franzosen, wir sind von der US-Army und haben uns verfahren. Hörst du? Amerikaner!« Das Mädchen schaute Letchus prüfend an. Er zeigte mit der Hand in die Runde: »Amerika! US-Army! Nix Frankreich!«
    Roebuck reichte ihr die Hand, die sie zum Aufstehen kurz festhielt. Eine ältere Frau, die hinter ihrem Rock zwei Kinder versteckt hatte, trat nun auch näher heran.
    »Amerikaner?«, fragte sie in undeutlichem Englisch. »Gott sei Dank!« Die Bäuerin wandte ihren Kopf kurz zu den anderen Frauen um. »Es sind Amerikaner aus Schwetzingen! Unsere Rettung ist da!«, rief sie.
    Die Kinder kicherten schüchtern, hielten sich jedoch weiterhin hinter dem Rock versteckt. Die Frau wischte sich ihre Hände an dem schmutzigen Kittel ab. »Wir sind so froh, dass Sie da sind!«
    Roebuck war insgeheim erleichtert, dass er nicht weiter deutsch sprechen musste, weil er sowieso nur drei Wörter konnte. Es gab zwar den Pocket Guide for Germany für Amerikaner mit gängigen Phrasen in Deutsch, aber das Buch hatte er irgendwo in Frankreich verloren. Es hatte ihn auch nicht weiter interessiert.
    Die alte Frau sprach das Englisch mit einem eigenartigen Dialekt aus, war aber einigermaßen gut zu verstehen. Sie erzählte den Soldaten von den Franzosen, die in allen Orten der französischen Zone geplündert und fast alle Frauen vergewaltigt hatten. In den letzten Tagen nach Kriegsende wären die Franzosen oft in die grenznahe amerikanische Zone gekommen und die Plünderungen und Vergewaltigungen hätten auch hier in den Orten stattgefunden. Sie hätten sogar kurz nach Ostern das amerikanisch kontrollierte Hockenheim für fünf Tage zur totalen Plünderung übergeben bekommen. Die in der Nähe von Heidelberg stationierten Amerikaner hätten bis heute nichts unternommen und drückten bei dieser Schandtat angeblich alle Augen zu.
    Das Gespräch wurde jäh unterbrochen, als plötzlich von der anderen Seite des Felds ein Reiter auf einem dunkelbraunen Pferd herangeprescht kam und knapp neben der Gruppe zum Stehen kam. Ein großer und gut genährter Mann mit fettigen, schwarzen Haaren sprang aus dem Sattel und schrie sofort die Frauen an: »Was steht ihr hier dumm herum? Macht euch wieder an die Arbeit! Der Bauer will heute Abend in Schwetzingen mindestens fünfzig Kilo Spargel verkaufen!«
    Die Amerikaner waren aufgestanden und schwiegen. Die älteren Frauen und die Kinder trollten sich sofort und begannen wieder, die jungen weißen Triebe zu stechen, die ihre Köpfe aus dem Sand reckten. Die junge Frau, welche von der Alten vorhin Christine genannt wurde, bekam eine schallende Ohrfeige.
    »Machst du den Soldaten schöne

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