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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Sterne mit ihm reden. Morgen im Palasthafen, in der neunten Stunde ...
    »Ist das Leben glücklich, das du führst?« fragte Auben mit ihrer singenden Stimme.
    »Ich will es glauben«, antwortete Anhetes. »Ich habe genug Gold, um Essen und Kleider kaufen zu können. Mein Ruhm ist im Palast gesichert, und ich baute den Seelentempel des Königs. Ich habe Sklaven und Shechta, der alles verwaltet. Ich bin gesund und ohne mißgestaltete Glieder. Was soll ich klagen?« Er schwieg wieder.
    »Und das alles genügt dir. Fehlt nicht etwas?«
    Das Boot, von einem taubstummen Sklaven gerudert, würde in den schmalen Jagdgängen des Schilfs schwimmen. Die Bordwände würden an die knarrenden Halme stoßen und Enten im Schlaf stören. Und Beeha-ti saß in der Mitte des Bootes, ließ eine Hand ins Wasser gleiten und spritzte die Tropfen in sein Gesicht ...
    »Ich bin Oberpriester der Sternengöttin, die mir wohlgesonnen ist. Ich habe zwei Sklavinnen. Ich kann mir nicht vorstellen, was mir fehlen könnte. Warum fragst du?«
    Zögernd fragte das Mädchen zurück:
    »Was denkst du von mir?«
    Eine weiße Hand würde sich ihm entgegenstrecken – und aus Träumen wurde Wirklichkeit. Anhetes griff nach den Fingern; sie waren weich, und ein Duft kostbarer Spezereien haftete an ihnen. Der Goldring mit der Gemme, die den Kopf des Kaiadlers symbolisierte, leuchtete im Licht des Frühlingsmondes. Leicht preßte Anhetes seine Lippen auf die Fingerspitzen Beeha-tis.
    »Nun – als ich dich kaufte, war mein erster Eindruck, daß eine Wildkatze zu zähmen sein würde. Aus ihr wurde in einem halben Jahr ein aufgewecktes Kätzchen. Dir fehlt nicht mehr viel, um erzogen zu sein. Nur die Eifersucht auf Fard ist nicht richtig.«
    Auben schnurrte.
    »Liebst du mich eigentlich, Herr?« fragte sie mißtrauisch.
    »Auben ...« Anhetes richtete sich halb auf und ließ sich wieder zurückfallen.
    »Liebe?« meinte er dann, mehr zu sich selbst als zu Auben. »Liebe? Ich weiß nicht, ob ich dich oder Fard liebe – oder irgend einen Menschen, den ich kenne. Ich glaube nicht. Vielleicht ist es das, was mir fehlt. Und auch du wirst es mir nicht sagen können.«
    »Das nicht«, sagte Auben. »Aber ich kann dir vielleicht zeigen, wie meine Art der Liebe erfreuen kann.«
    »Das«, sagte Anhetes und lächelte kurz in die Dunkelheit, »hast du schon bewiesen.«
    »Das ist gut«, sagte sie. Dann hob sie den Kopf und strich mit dem Finger über die Brust des Mannes.
    Der Sonnenaufgang weckte ihn.
    Nicht die roten Strahlen Veegas, sondern der atemberaubende Lärm, den Tausende von Wasservögeln und Kröten vollführten. Der Lärm hörte schlagartig auf, als sich die Sonnenkugel über die Schilfränder erhob. Anhetes schälte sich gähnend aus den Decken, warf einen Blick auf die schlafende Auben und ging die Treppe hinunter. Shechta hatte bereits Wasser bereitgestellt. Anhetes wusch sich sorgfältig und rasierte sich dann mit der auf Leder abgezogenen Schneide des Bronzemessers den starken, dunklen Bart.
    Er legte den Gürtel an, schlang das Hüfttuch um seine Lenden und ordnete die Falten des Felles, so daß die Stickerei zu sehen war. Er zog ein frisches Leinenhemd über, nahm den Mantel und setzte sich an den Tisch. Fard hatte das Essen bereitet und begrüßte ihn.
    »Wirst du heute viel Arbeit haben, Herr?« fragte sie, ohne daß ihre Augen mitlächelten.
    »Wahrscheinlich etwas mehr«, sagte Anhetes kauend, »der König ist gestorben.«
    Fard hörte auf zu lächeln. »Ich habe geschlafen«, sagte sie nachdenklich. Anhetes nickte, als Shechta eintrat.
    »Der Wagenlenker wartet, Herr!« sagte der Greis. Anhetes stand auf.
    »Ich brauche in der achten Stunde einen Wagen mit einem Fahrer und zwei ausgesuchten Pferden. Wirst du das erledigen?« sagte Anhetes zu seinem Verwalter.
    Shechta nickte schweigend. Anhetes schloß seinen Mantel und sah durch das Fenster nach draußen. Die Pferde warfen ihre Mähnen und scharrten ungeduldig. Ein schwarzer Sklave wartete, die langen Zügel in der Hand.
    »Ich gehe.« Der junge Baumeister hob die Hand. »Ich komme in der siebenten Stunde wieder. Wasser, neue Gewänder und den Schmuck meines Vaters – Shechta!«
    »Ja, Herr?«
    »Du wirst nichts vergessen?« Vorwurfsvoll sah der Alte seinen Herrn an.
    »Du kannst sicher sein, Herr. Ich schreibe auch den Text des Papyrus auf Pergament. Ist das recht?«
    »Vorzüglich«, sagte Anhetes über die Schulter, nickte den Sklaven flüchtig zu und trat in die kühle Morgenluft hinaus.

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