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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Platten, die mit makelloser weißer Glasur versehen waren. Die dreimal zehntausend Platten würden Jahrtausende überdauern. Innerhalb der Quadern befanden sich Gänge und Kammern. Nach dem Bild eines Irrgartens angelegt, wanden sie sich um Ecken und endeten blind oder in Kammern, die den Hausrat des toten Herrschers aufnehmen würden.
    Die eigentliche Grabkammer war seit einem halben Jahr fertig. Sie beherbergte eine weiße Barke aus Marmor, in der sich der tote König auf den Weg machen würde, um ins Zweite Leben überzugehen. Er mußte warten, bis der Kaiadler seine geläuterte Seele wiederbrachte. Dann würde sich Tot-meres erheben und der roten Sonne entgegenrudern.
    Der Turm war fertig.
    Unter der Frühlingssonne und unter reichlicher Wasserzufuhr wuchsen die Anlagen. Anhetes hatte es geschafft – teilweise. Er entsann sich unmutig des Berichtes, in dem ein sterbender Herrscher seinen Baumeister enthaupten ließ, weil er wußte, daß sein eigener Tod die Bauarbeiten überholen würde. Neue Meldeläufer verließen die Bauhütte. Noch nicht fertig war der Taltempel.
    Die Sklaven wurden von hier abgezogen und mußten innerhalb von zwei Tagen den Taltempel fertigstellen. Und die Graveure mußten heute auch nachts arbeiten. Eile war geboten, aber totgepeitschte Sklaven konnten nicht mehr arbeiten. Anhetes war nicht fanatisch, aber er mußte es schaffen, da er sonst sein Gesicht verlor. Bei einer Frist von drei Jahren hatte er sich um einen einzigen Tag verschätzt. Allerdings konnte er nicht ahnen, welche Bedeutung dieser einzige Tag für sein Leben haben würde ...
    Der Baumeister verbrachte die Zeit bis zum Essen damit, die Arbeitsanweisungen für die Gruppenfahrer zu geben. Dann wußte er, daß er hier oben endgültig fertig war. Die Sklavenquartiere waren bereits abgebrochen. Der letzte Meldeläufer stolperte die Treppe hinunter. Anhetes hielt ein und lehnte sich erschöpft zurück; alles lief nach seinem Plan ab.
    Nach dem Essen brachten die Sänftenträger den Baumeister hinunter zum Taltempel. Rückwärtsschauend bemerkte er auf halbem Weg, wie die Sklaven bereits das Dach der Bauhütte abbrachen und verluden. Die Sänfte kam neben der langen Doppelmauer zum Stehen. Veega stach ohne Schatten senkrecht auf den Sand zwischen den doppelmannsgroßen Platten. Anhetes stieg aus.
    Die Graveure schlugen um die Wette. Stück für Stück entstand auf der polierten Wand das Fries – für ewig. Schwarzer Banit war ein Stein, der unendlich langsam verwitterte. Eine Schar Sklaven kam den Hügelweg herunter. Die Männer trugen Leitern, Seile und Blöcke. Sie kamen, um den Taltempel zu vollenden. Der Baumeister nickte den Aufsehern zu; die Graveure waren bei den letzten Bildern angelangt.
    Auf diesen Mauern war das Leben Tot-meres' verewigt.
    Tot-meres bei der Thronbesteigung, bei der Einigung aller Siedler der vier Flüsse, bei der Niederwerfung der Ileniten und als Sieger über die Stadt Or. Gemahl einer gubischen Prinzessin, bei der Geburt von Asor-meres-ti, bei den jährlichen Wachstumsfeierlichkeiten. Szene auf Szene, in denen der König in der Bedeutungsperspektive dreimal größer war als Untertanen oder Beamte.
    Tot-meres bei der Erwartung des Kaiadlers und auf dem Weg ins Zweite Leben ...
    An diesen beiden letzten Bildern wurde gearbeitet.
    Anhetes sprach mit den Künstlern, rügte hier einen Fehler, ließ eine Verbesserung anbringen und lobte die Linien der Glyphen. Die Hitze, die der Stein ausstrahlte, ließ den Schweiß in Strömen fließen. Als er sich abwandte, sah Anhetes den Taltempel oder das, was schon von ihm fertig war. Die Säulen ragten halb aus dem Bausand hervor, auf dem sich jetzt Rampen und Gerüste erhoben. Tonnen schwersten Gesteins, in Abschnitten aufeinandergetürmt, drückten auf den Untergrund. Noch waren die Säulen oben nicht in den Widerlagern beschwert und verankert; einer der häufigen Frühlingsstürme konnte sie umwerfen. Die Decke mußte angebracht werden – alle Teile lagen bereits fertig gestapelt, aber sie mußten hochgewuchtet und eingepaßt werden.
    Eine Arbeit, die in zwei Tagen getan werden konnte, wenn nichts die Sklaven abhielt. Als die Arbeiter begannen, die Plattformen aufzustellen und die Seile der Zugvorrichtungen zu befestigen, bewegte sich das oberste Stück der rechten Portalsäule des Tempels.
    Gesteinsstaub sickerte aus der Fuge und fiel in den Sand. Unendlich langsam bewegte sich die Säulenspitze wieder zurück. Die Peitsche des Aufsehers knallte und schlug

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