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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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geführt, wo man sie allein ließ. Heiße Bäder, verzierte Gewänder und reiches Essen wurden gebracht und hergerichtet.
    Zwei Tage blieben die Männer in der Stadt der Mitte.
    Sie versuchten immer wieder – indem sie einen Brief des Mädchens Sinam vorzeigten – zum Herrscher vorzustoßen. Vergebens. Ihre Bemühungen prallten an der Mauer des Lächelns und des Schweigens ab. Pilok beherrschte sich noch; Nigoel wurde immer unruhiger.
    »Wenn wir morgen nicht vorgelassen werden, dringen wir dort ein, wo wir anscheinend nicht erwünscht sind«, sagte schließlich Nigoel.
    »Die Zeit drängt erbarmungslos. Unsere Leute müssen kurz vor der Bucht sein«, antwortete Pilok leise.
    Sie unternahmen einen langen und ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt; bei Tag und bei Nacht, und die ungeheure Pracht überwältigte sie. Sie sahen auch Truppen – niemals würde Nigoel das verächtliche Lächeln Piloks vergessen. Die gewaltigen Heere standen bereit; aber es waren nichts anderes als Spielzeugsoldaten, die gut für Aufmärsche und Paraden zu gebrauchen waren. Jedenfalls waren sie der Roheit und Wildheit der Chongalenheere nicht gewachsen. Die Truppen des Chans würden sie überrennen.
    Am anderen Morgen – wieder waren viele Seiten der Bücher mit Beschreibungen und Zeichnungen gefüllt worden – weckte die Männer ein langhallender Gongschlag.
    Nach einer Weile geleitete man sie in die Gemächer des Herrschers.
    Sie hatten ihre Tarnung abgelegt und standen da, wie Riesen aus Stahl. Helme, Rüstung, Kettenhemd, Schild und Schwert glänzten in den Sonnenstrahlen, die aus einem kleinen Garten her in den Saal fielen. Sporenklirrend und hart auftretend gingen die Ritter bis zum Herrscher der Stadt.
    »Denke daran – unsere Zeit ist kürzer, als uns lieb ist!« raunte Nigoel Pilok ins Ohr. Der Drachenritter nickte schweigend.
    »Ihr habt den Brief Eurer Tochter gelesen, Herrscher?« eröffnete Nigoel das Gespräch. Der Herrscher nickte und wies auf Teeschalen, die in einer langsamen Zeremonie gefüllt wurden.
    »Ihr wißt, daß Eure Tochter in Lebensgefahr ist – und diese Stadt ebenfalls?«
    Wieder nickte der Herrscher. Die Räte neben ihm schienen über die direkte Art des Westländers erschrocken.
    »Ich würde versuchen. Euch zu helfen, wenn Ihr nicht so überlegen wärt«, sagte Imar hart. »In einigen Monden wird der Große Chan diese Stadt berennen. Mit viermal hunderttausend Männern wird er die Stadt schleifen und euch in alle Winde verstreuen. Wollt Ihr das?«
    Der Herrscher lächelte:
    »Es wird ihnen nicht gelingen. Habt Ihr die Männer gezählt?«
    »Nein. Die Zahl stimmt, ohne nachgezählt werden zu müssen.«
    »Ich glaube es nicht. Diese Stadt ist uneinnehmbar.«
    Nigoel war daran, die Beherrschung zu verlieren. Er unternahm noch einen Versuch, den Herrscher und seine puppenhaft geschminkten Räte von der furchtbaren Gefahr zu überzeugen – er hätte mit Taubstummen reden können.
    »Hör auf«, sagte Pilok mit schneidender Stimme. »Wir vergeuden unsere Zeit.«
    »Du hast recht.« Nigoel verbeugte sich vor dem Herrscher.
    »Euer Untergang berührt mich nicht. Ich wagte mein Leben, um der Liebe Eurer Tochter würdig zu sein – ich tat meine Pflicht. Wenn Ihr als Gefangener Eure Tochter wiedersehen solltet, erzählt Ihr von mir und meinem Versuch. Sie glaubte an mich. Lebt wohl!«
    »Unsere Pferde!« rief Pilok. Dann drehten sich die Ritter um und stürmten aus dem Saal. Nur wenig später galoppierten sie durch die breiten Straßen, hinaus zum Tor und hinunter zur Küste. Sie peitschten verbissen die Pferde, denn der Wettkampf mit der Zeit und mit ihrem Tod hatte begonnen.
    Sie ritten Tag und Nacht, immer in gleicher Entfernung vom Meer. Sie schliefen abwechselnd in den Sätteln, fielen hin und wieder ins Gras und taumelten dann weiter.
    Gnadenlos ging es weiter.
    Durch sonnendurchglühte Täler, über eiskalte Berghänge und über Hochsteppen, eisig und leer. Sie trafen nicht einen einzigen streifenden Chongalen, aber sie waren überzeugt, daß es hier Reiter des Chans gab. Nigoels Pferd begann zu lahmen, einen halben Tag lang gingen die Ritter zu Fuß weiter und führten die Tiere. Eines Nachts ...
    ... sie lagerten an einem Flüßchen, das eisiges Schmelzwasser führte, sah Pilok erschrocken zum Himmel. Er änderte seine Farbe, und ein grellgrüner Streifen erschien über dem Rand des Meeres.
    »Unser Glück verläßt uns. Der Wintermond geht auf. Wir waren zu langsam – das Schiff! Wartet es

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