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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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schliefen sie nicht. Nigoel spürte, wie eine kleine Hand sein kantiges Gesicht streichelte und wie Sinam Zärtlichkeiten in fremder Sprache murmelte. Er öffnete seine Arme.
    Der nächste Morgen sah die Männer um Nigoel versammelt.
    Sie standen in einem dichten Ring auf dem Zeltvorplatz und hörten zu, wie Nigoel Imar redete. Er sagte ihnen mit schonungsloser Offenheit alles, was zu sagen war.
    »Das heißt«, meinte Ances leise, »daß wir nur so lange leben, wie es dem Chan gefällt oder wie wir nützlich sind. An der Richtigkeit des Angebotes zweifle ich nicht.«
    »Genau«, sagte Bodur. »Wir werden also zurück zum Schiff reiten, in Begleitung einiger Chongalen. Unser Gepäck lassen wir hier, oder tun wenigstens so. Dort, am Ufer, machen wir die Begleitung nieder und machen uns aus dem Staube.«
    »So, wird es gehen«, sagte Jagon. »Wir wären in Sicherheit. Übrig bleiben Sinam, Pilok und unser Anführer. Was werdet ihr tun?«
    »Wir werden mit Billigung des Chans in die Stadt einreiten.«
    Ein kurzes Gelächter ging durch den Kreis.
    »Als Spione – als westindische Händler –, versteht sich. Wir warnen den Herrscher und reiten dann der Küste entlang zurück zur Bucht, in der unser Schiff liegt.«
    »Das sind Wagnisse für Übermenschen«, sagte Ances. »Darf ich mitreiten?« Nigoel überlegte kurz, schüttelte dann wild den Kopf.
    »Nein, mein Kleiner«, sagte er und sah in die dunklen Augen des Pagen. »Einer von uns muß alles übersehen können. Ich lade die Verantwortung für die sechsunddreißig Männer und die Chongalen auf deine Schultern.« Schweigend nickte Ances.
    »Versucht alle, euch in diese Rolle hineinzudenken«, sagte Nigoel mit Nachdruck. »Ihr reitet zum Schiff, um Ausrüstung, Werkzeuge und Pläne für den Bau der Belagerungsgeräte zu holen. Pilok und ich stoßen zu euch, wenn wir aus der Stadt der Mitte zurück sind. Versucht auch, nicht zu schnell zu reiten.«
    Die Männer gingen auseinander, schweigend und mit neuen, gefährlichen Gedanken erfüllt. Kurze Zeit später stand Nigoel Imar vor dem Chan.
    Der Fürst war nicht allein.
    Um ihn herum saßen die Ersten seiner Anführer, und Nigoel spürte das Mißtrauen, das ihm entgegenschlug. Er kümmerte sich nicht darum und breitete seinen Plan für die Belagerung der Stadt bis in das kleinste Detail vor den Chongalen aus. Aus dem Schweigen des Chans konnte er entnehmen, daß der Herrscher versuchte, den Ritter in einen Hinterhalt zu locken, und Nigoel sagte es laut.
    Plötzlich lachte der Chan.
    »Du gefällst mir, Westländer. Du durchschaust unsere Gedanken – aber ich stimme mit dir überein. Schicke deine Männer zurück zum Schiff und reite mit dem weißhaarigen Riesen in die Stadt. Kaufleute werden dort nicht auffallen. Reite mit offenen Augen.«
     
    *
     
    Sechzehn Tage später ...
    Pilok und Nigoel trugen unter der Verkleidung Rüstung und Waffen. Die Pferde waren ausgeruht, und die Straße wurde immer besser. Die beiden chongalischen Begleiter winkten noch einmal und wendeten dann ihre Pferde. Noch einen Tag bis zur Stadt.
    Die Mauern, die erst klein und stumpfgrau am Horizont aufgetaucht waren, wuchsen mit jedem Schrittwechsel. Kein fahrbarer Turm würde die Zinnen erreichen, keine Schleuder konnte die riesigen Quadern zermürben. Pilok zügelte hart neben Nigoel sein Pferd und wies nach oben.
    »Selbst wenn wir es versuchten – würden wir diese Mauern brechen können?«
    Stumm schüttelte Nigoel Imar den Kopf.
    Zwischen den wuchtigen Mauern öffnete sich ein Tor, und als die beiden westländischen Kaufleute einritten, versammelten sich die Menschen zu Haufen. Die Ritter, mit Fellmützen auf den Köpfen und mit dem Gepäck in den Satteltaschen wurden umringt und angestaunt. Auch hier bezeichnete man sie als Riesen.
    Die beiden Männer waren wie verzaubert. Sie blickten fassungslos auf das herrliche Bild der ehrwürdigen Stadt. Zwischen Tempeln mit spitzen Dächern inmitten ausgedehnter Parkanlagen standen Häuser, die aus Pergament gefertigt schienen. Imar mußte an Sinam denken, das zarte Mädchen, das er zurücklassen mußte, so wie vor einem halben Jahr Beatrix Dory. Durch breite Straßen, entlang herrlicher Springbrunnen und seltsamer Bäume, brachte sie ein Führer zum gewaltigen, prunküberladenen Palast.
    Gänge taten sich auf, Zimmerfluchten und winzige Spielzeuggärten erschienen, bunte Lampen wurden aufgehängt. Die beiden Männer wurden von Wachen in farbenprächtigen Rüstungen in ein geräumiges Zimmer

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