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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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winkte zurück, bis sie zwischen der Menschenmenge verschwunden war. Dann drehte er sich um und ging hinaus zum Wagen.
    Eine Stunde später hatte er das unwahrscheinliche Kunststück fertiggebracht, den Fiat direkt vor der Haustür zu parken. Nicholas fuhr hinauf und machte sich erst einmal etwas zum Essen. Nachdem er gegessen hatte, lehnte er sich zurück, um nachzudenken.
    Eines stand unverrückbar fest:
    Wenn es auch romantisch klingen sollte; er hatte sich verliebt, und er ahnte, daß auch Beatrice verliebt war. Die Worte Dr. Rogers kamen ihm zum Bewußtsein. Ein Schock?
    Hoffentlich war es ein heilsamer Schock.
    Das Gesicht des Mädchens stand wie eine Fotografie vor Nicholas' Augen. Ein gutgeschnittener Kopf mit braunem Haar, lang mit einer leichten Innenrolle. Blaue Augen, ein klargeformter Mund, betont durch einen hellen Lippenstift.
    Die Bilder:
    Beeha-ti – Beaka – Beatrix Dory ...
    Plötzlich waren die Namen und die Gestalten der Träume wieder lebendig. Als ob der Schatten einer Wolke von den Bildern gewichen wäre, tauchten die Begriffe wieder auf. Nicht mehr, nur die Namen und das Aussehen der Mädchen. Drei verschiedene Kulturen und drei verschiedene Mädchen, und hier in Paris die vierte Gestalt. Ähnlich bis zur Identität, gleichaltrig, gleichen Namens oder fast gleichen Namens ...
    Nicholas beugte sich vor und drückte die Zigarette aus. Das waren Dinge, die nicht mehr mit den Maßstäben moderner Psychologie zu messen waren. Hier trafen sich Ebenen, die ihre Basis in anderen Bezirken hatten. Aber – Nicholas war sicher, daß der Psychologe recht hatte. Beatrice würde diesen Spuk zur Seite fegen, allein durch den Zauber ihrer Gegenwart. Nicholas grinste und sagte sich, daß es ihn schwer getroffen hatte. Er gab sich auch gleich die Antwort:
    Es war so.
    Nachdenklich ging Nicholas durch den Raum, setzte sich vor das dritte Traumbild und betrachtete es eingehend. Wie auch die Vorgänger, war es restlos fertig. Nicholas nahm einen feinen Pinsel, fuhr mit der Spitze in dem schwarzen Fleck auf der Palette herum und signierte rechts unten.
    Die Ölfarben trockneten langsam in der Wärme des Raumes. Nicholas merkte, daß noch immer das Heizgerät lief und schaltete es ab. Dann schob er es unter die Couch zurück.
    Den Rest des Tages verbrachte Nicholas liegend auf der Couch, wo er sich sämtliche Kissen in den Rücken gestopft hatte und die niedergeschriebenen Träume von Grenelle las. Dieser Mann hatte wesentlich mehr wirre Dinge geträumt als Nicholas. Aber – und hier wurde der Student stutzig – auch die sinnerfüllten waren ähnlich wie seine eigenen Träume.
    Sie zeigten stets einen Grenelle, einen Mann mit allen dessen Eigenschaften und typischen Reaktionen in den verschiedensten Kulturen. Hier war keine Grenze; es las sich spannender als ein utopischer Roman.
    Es wurde Abend, und Nicholas beschloß, Grenelle einen Besuch abzustatten. Jetzt war auch er motorisiert, außerdem hatte er die Traumschilderungen ausgelesen. Nicholas fühlte, daß der Schmerz unter den Verbänden nachgelassen hatte und stand auf.
    Der Tank war noch halb voll.
    Nicholas rollte mit dem kleinen Fiat auf die Straße und reihte sich in den Verkehr ein. Nicht ganz eine halbe Stunde später stand der kleine, rote Wagen hinter Grenelles offenem Citroën. Nicholas nahm das Manuskript vom Nebensitz, schloß den Wagen ab und ging hinauf. Die Musik hörte man bereits drei Türen vorher. Nicholas blieb stehen und lauschte einige Sekunden. Die donnernden Akkorde eines Cembalostückes von Händel hallten aus Grenelles Appartement.
    Nicholas grinste und stellte sich vor, wie sein bärtiger Freund auf der Couch liegen und Sartre oder Camus lesen würde. Neben der Couch stand bestimmt eine Whiskyflasche. Nicholas lehnte sich gegen den Klingelknopf, aber Grenelle schien nichts zu hören; das Stück ging weiter.
    »Sehr rücksichtsvolle Nachbarn«, murmelte Nicholas und wechselte den Finger, der auf dem Knopf ruhte. Das durchdringende Klingeln der Glocke erscholl in eine Pause hinein. Jetzt hatte es Grenelle gehört.
    Schritte ertönten, die Wiedergabegeräte wurden leiser gestellt, und Grenelle öffnete die Tür. Er war korrekt angezogen, sogar der Schlips saß noch.
    »Sie, Nicholas?« fragte er erstaunt.
    »Natürlich«, sagte Nicholas und hob die Arme, »dachten Sie, mein zweites Ich?«
    »Kommen Sie herein«, sagte Grenelle, aber ohne sonderlich viel Freude zu zeigen. Nicholas fragte, während er zusah, wie Grenelle die Tür

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