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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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warme Wasser einer gefüllten Wanne. Er tastete sich über den Rand hinweg und spürte voller Wohlbehagen das Wasser.
    Die Gorgoyne schaltete eine sonnenähnliche Lampe ein; sie bräunte Nig innerhalb einiger Minuten. Stählerne Arme massierten und wuschen ihn sanft, rasierten den starken Bart und manikürten Finger und Zehen.
    Dann hoben die Arme Nig aus dem Wasser; ein brausender Heißluftwirbel trocknete ihn, Bürsten regten den Blutkreislauf der Haut an, und das Haar wurde geschnitten. Ein Duftnebel stäubte den Mann ein. In der Wand erschien ein riesiger Kristallspiegel.
    Nig betrachtete sich wie einen Fremden.
    Was sah er?
    Ernste, verwirrte Augen. Darüber stand feucht das kurze, hellbraune Haar, darunter ein müdes, aber energisches Gesicht. Ein Kinn, das kindlich und trotzdem willensstark erschien, mit einem winzigen Grübchen darin. In der Iris der grauen Augen flirrten goldene Punkte. Darunter stand ein brauner, sehniger Körper.
    »Das bist du, Nig Boyn, von einem langen Schlaf erwacht. Du bist lebendig und müde – aber wo bist du?« fragte sich Nig halblaut. Die Gorgoyne schwieg lange, dann sagte sie:
    »Du mußt jetzt schlafen, Nig!« Der Mann senkte zustimmend den Kopf. Er fühlte sich zerschlagen und unausgeruht, aber von einer gesunden Müdigkeit. Er durchquerte das Bad, dann das anschließende Zimmer mit dem roten Teppich und sah, daß ein anderes Schott sich vor einer Schlafkammer geöffnet hatte. Im Essen mußte ein Schlafmittel gewesen sein; Nig war unglaublich müde.
    Die verschwundene Tür öffnete den Blick in die Richtung eines Bettes, das vor grasbeflochtenen Wänden stand und unter drei mattleuchtenden Glasreliefs, die Bilder aus der Ersten Welt darstellten. Kaum lag Nig zwischen den gewärmten Decken, wurde er vom Schlaf übermannt und erlebte nicht mehr, wie die Gorgoyne sämtliche Lichter löschte. Sie dachte und handelte für ihn.
     
    *
     
    Wäre die vollkommene Maschine mit dem Grundhirn eines organischen Wesens ausgestattet gewesen, hätte sie jetzt etwas wie einen leichten Schmerz empfunden: Das Spiel näherte sich dem Ende. Das Hirn des Kuriers war wieder in den Körper zurückgekehrt, zu dem es gehörte. Reicher an Erfahrungen, an Assoziationsmöglichkeiten, an Dingen der persönlichen Einsicht. Noch standen die Identifikationsfelder an den verschiedenen Orten.
    Aber die Gorgoyne stellte bereits die Schaltungen her, die den eifrig pulsierenden Neuronenzellen einen Teil der Energie nehmen würden. Auch dieser Vorgang würde sehr lange dauern; sonst starben die Wirte, und ihre Körper würden sich lautlos in die atomaren Bestandteile auflösen.
    Der lange Flug näherte sich dem Ende.
     
    *
     
    Nachdem er aufgewacht war, lag Nig reglos da und betrachtete die feinen Strichätzungen der Glasbilder. Die drei Großstädte aus der jahrtausendealten Geschichte der Ersten Welt blickten auf Nig herunter. Sein Blick wanderte hinaus aus dem offenen Viereck der Schlafstelle in den anderen Raum, in dem Paramech alles bereitgestellt hatte, was Nig in der nächsten Zeit brauchen würde.
    Der Frühstückstisch war inmitten der Wüste gedeckt.
    Aus dem unerschöpflichen Reservoir der paramechanischen Einfälle hatte die Gorgoyne diese Idee gewählt. Die Glaswände des viereckigen Raumes boten die vollständige Illusion einer Wüstenlandschaft; ein kühler Morgenwind ging über die zitternden Gräser hinweg und bewegte die Tücher des Tisches. Nig stand auf, ging durch die Illusion hindurch und bemerkte den feinen Spalt, der die Tür zum Bad kennzeichnete. Der Druck seines Handtellers ließ das Schott aufgehen.
    Der bewußte Anblick der Städte, das Stück der Wüste aus der Südhalbkugel der Ersten Welt – beides hatte eine Reihe von Gedanken ausgelöst. Nachdem Nig geduscht und sich rasiert hatte, setzte er sich in den warmen Schatten eines Riesenbaumes, der am Rande der Wüste stand. Nach dem Frühstück fühlte sich der Mann bereit, einen Teil des Duells mit der gewaltigen Maschine auszufechten. Er eröffnete das Spiel, indem er fragte:
    »Ich bin geweckt worden; was ist der unmittelbare Grund?«
    Die Gorgoyne brauchte durch die paramechanischen Stimmbänder der Maschinerie genau eine Sekunde, ehe sie antwortete.
    »Wir nähern uns nunmehr der Zweiten Welt. In drei Tagen wird Paramech landen, dann mußt du die ersten Kontakte herstellen.«
    »Wo sind wir?« fragte Nig zurück.
    Die Maschine reagierte sofort. Hier setzten sich zwei Hirne auseinander; das von Gorgoyne und das menschliche Nig

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