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TTB 100: Der Traum der Maschine

TTB 100: Der Traum der Maschine

Titel: TTB 100: Der Traum der Maschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Lichtpunkt schwoll an, wurde zu einem Blitz und zerriß Nig Boyn. Schweißgebadet fuhr er auf und schaltete das Licht ein.
    »Noch zwanzig Stunden, Nig Boyn. Ich habe jetzt die Sprache analysiert. Ich werde während deines Schlafes die Grundelemente der Grammatik auf ein Band überspielen und sie dir übermitteln. So kannst du bereits als sprechender Botschafter aus der Schleuse steigen.«
    »Etwas Bemerkenswertes?« fragte er, wieder schläfrig geworden.
    »Nichts. Sie sind menschlich, wie wir.«
    »Oh – gut!«
    Während seine aktivierten Sinne sich gierig mit den neuen Kenntnissen beschäftigten, verschonten ihn die Alträume. Als er erwachte, sagte Gorgoyne:
    »Noch fünfzehn Stunden bis zur Landung. Sieh aus der Pilotenkanzel; der Planet ist größer geworden. Wir sind näher gekommen.«
    »Ich dachte es mir fast«, sagte Nig verdrossen.
    Jetzt hatte er wieder Angst. Er wusch sich gründlich, rasierte sich lange und ließ sich dann von Paramech neue Kleidung herauslegen. Jetzt trug er die leicht abgewandelte Uniform der Raumfahrer der Ersten Welt: Dunkelrote Stiefel, ebensolche enge Hosen und eine schwarze Jacke, die durch einen breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Ein gespenstischer Anblick:
    Der Frühstückstisch stand dicht neben dem Abgrund.
    Um Nig Boyn herum standen die Sterne des fremden Himmels. Ihr Glanz wurde geschwächt durch das Licht der Sonne, die auf den gewaltigen Kreis des Planeten schien. Die Kugel hing jetzt rechts von Nig im Raum. Alles war in grüngoldenes Licht getaucht; das Besteck, die Teller und die Tücher. Nur von oben strahlte eine Lampe mattes Licht auf die Tischplatte. Es war, als säße Nig am Rande des gewaltigsten Abgrundes, auf einem Felsen über den Sternen. Und die Angst verstärkte sich.
    »Wieviel Zeit ist noch?« fragte er in die Dunkelheit hinein.
    »Dreizehn Stunden«, antwortete das automatische Gehirn.
    Während das grandiose Bild des Weltalls langsam, verschwand und die Greifer Paramechs die Essensreste wegräumten, ging Nig langsam den schmalen Korridor entlang, der zur Pilotenkanzel führte.
    »Wie ein Nest voller aufgeregter Insekten«, dachte Nig, als er das pausenlose Summen und Zirpen der Maschinenschreiber hörte. Das gesamte Schiff schien unter den hohen Schwingungen zu erzittern.
    Der Anblick hier war allerdings keine Illusion mehr.
    Nig blieb im Rahmen des Schotts stehen und faßte nach seinem Hals. Der Kragen seiner weichen Jacke schien ihn zu würgen. Wie der zur Wirklichkeit gewordene Gedanke an Gefahr stand die unfaßbar große Scheibe der Zweiten Welt unmittelbar vor dem Kabinenfenster. Sämtliche Kontrollen arbeiteten und ließen Lichter spielen. Nig hörte, wie sich hinter ihm das Sicherheitsschott schloß und die schnellen Takte der Schreibapparaturen ausschloß. Als ob seine Glieder durch Metallgewichte beschwert würden, ließ sich Nig mühsam in den großen Sessel fallen; stützte die Ellbogen auf das Paneel unter den Skalen und starrte durch die gespreizten Finger auf das einmalige Bild. Noch nie in seinem Leben hatte er Ähnliches gesehen. Verglichen mit dieser Welt wirkte sein Heimatplanet wie eine verkümmerte Frucht.
    Diese gigantische Kugel war grün und golden.
    Nig verfolgte einen Fluß, der sich quer durch einen gewaltigen Subkontinent zog und ein großes Dreieck dunklen Wassers in das Meer ergoß. Riesige Wälder säumten gewaltige Küstengebiete, Inseln schwammen inmitten weißer Brandungswellen in Ozeanen von Gold. Die weißen Flecke großer Städte unterbrachen das Bild. Die Zweite Welt.
    Wie an einen Rettungsanker, klammerte sich Nigs verwirrter Verstand an einen vertrauten Gegenstand, an Bea, das Mädchen mit dein seidigen Haar und den blauen Augen. Er stellte sich vor, daß sie hier und jetzt neben ihm sag und mit ihm überlegte, was zu tun sei. Er faßte in Gedanken ihre Hand und wurde ruhiger, als er erreichte, sich die schmalen Finger vorstellen zu können.
    »Du wirst deinen Weg gehen, weil du mußt. Tust du es nicht, wirst du eines Tages sehr unglücklich sein. Versuche immer, das Unfaßbare als natürlich zu akzeptieren, versuche, dich über deinen Schrecken hinwegzusetzen. Dann schaffst du es.
    Ich?
    Ich werde auf dich warten. Ich denke keinen Augenblick daran, daß du nicht zurückkommen könntest. Die Gorgoyne und Paramech sind derart perfekt, daß sie dich zur Zweiten Welt und wieder zurück bringen werden – in meine Arme. Dort wartet das Schiff, Nig!«
    Das waren die letzten Worte Beas gewesen, vor dreißig Jahren

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