TTB 103: Die Zeit und die Sterne
ähnlich wie sie auch organische Gene beeinflußt. Und für eine Weile gab es sicherlich eine Überdosis an harter Strahlung. Die Flöße fingen an, fehlerhafte Duplikate herzustellen. Die meisten waren sicherlich unbrauchbar, aber einige kamen auf diese Weise auch zu Vorteilen. Zum Beispiel fuhren sie nicht mehr zum Ufer zurück und warteten jahrzehntelang auf ihre Entladung. Andere gewannen die Fähigkeit, sich das Metall aus reicheren Quellen zu holen als im Ozean. Im Laufe der Jahrmillionen entwickelten sich Arten, das Land wurde erobert. Ganz neue Typen entstanden und führten allmählich zu dem, was wir heute sehen.«
»Aber woher ist die Energie gekommen?« fragte Kuroki.
»Von der Sonne, nehme ich an. Die ursprünglichen Sonnenbatterien werden sich ungeheuer verfeinert haben. Vielleicht haben sie Speichereinheiten auf der Molekularebene entwickelt, Zellen von mikroskopischer Größe.«
»Aber wo kommt das Metall her?«
»Von niedrigeren Maschinenformen. Letzten Endes wohl von Typen, die Erze zerkleinern, Legierungen herstellen und mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen können. Man muß sich das Ganze als eine Entwicklung vorstellen, die im Prinzip analog der organischen Vegetation ist. Es ist eine gröbere Form der Existenz als unsere. Aber sie funktioniert.«
»Sogar verschiedene Geschlechter gibt es«, sagte Frederika.
»Man könnte es beinahe so nennen«, pflichtete Darkington bei. »Bei den entwickelteren Formen ist die Reproduktion wahrscheinlich zur Spezialität einer Art geworden, während sich die andere auf Kraft und Beweglichkeit spezialisierte. Ich möchte sagen, daß es auch korrespondierende psychologische Unterschiede gibt.«
»Psychologische?« fragte Kuroki aufgebracht. »Augenblick mal! Ich weiß, daß man die Rechenanlagen früher einmal Elektronengehirne genannt hat und ähnlichen Unsinn, aber ...«
»Bezeichne das Phänomen, wie du willst«, meinte Darkington, »aber dieser Roboter verwendet Werkzeuge, die hergestellt und nicht gewachsen sind. Das Problem ist, wie man ihn davon überzeugen kann, daß auch wir denken.«
»Kann es das nicht sehen?« rief Frederika. »Auch wir verwenden Werkzeuge. Sato hat mathematische Symbole gezeichnet. Was will es noch mehr?«
»Ich weiß nicht genug über diese Welt, um darüber Vermutungen zu äußern«, sagte Darkington müde. »Aber wir alle haben schon gesehen, wie trainierte Affen irgendwelche Kunststückchen vollführt haben, ohne sie deswegen für mehr zu halten als Affen. Auch wenn der Anschein vielleicht dagegen sprach.«
»Wenn unsere Beobachtungen richtig sind«, meinte Frederika, »dann muß sich die Roboterrasse als eine Rasse von Jägern entwickelt haben. Als stammte der Mensch vom Tiger ab und nicht vom Affen. Was für einen psychologischen Unterschied würde das ergeben?«
Keiner antwortete. Sie lehnte sich an Darkingtons Schulter und schloß ihre Augen.
Kuroki blickte weg, weniger aus Taktgefühl als aus Einsamkeit. Sein Mädchen war mehrere Tausend Kilometer entfernt, irgendwo auf einer Umlaufbahn um die Erde, und er besaß kein Mittel, ihr einen Abschiedsgruß zu schicken.
Thurshaw hatte die Freiwilligen gewarnt, daß es keine Rettungsaktion geben könne. Wenn etwas Unvorhergesehenes geschähe, würde die »Traveler« noch eine Weile auf der Umlaufbahn bleiben, in der Hoffnung, daß das Tochterschiff zurückkehren würde. Aber dann würde sich die »Traveler« wieder den Sternen zuwenden. Kurokis Mädchen würde sich einen anderen Mann und einen anderen Vater für ihre Kinder suchen müssen.
»Ich glaube, diese Roboter verständigen sich per Radio«, sagte Kuroki. »Wahrscheinlich haben sie keine Ahnung, daß Schallwellen demselben Zweck dienen können. Vielleicht sind sie sogar taub. Ohren sind in diesem Blechdschungel nicht sehr nützlich. Und unsere Funkgeräte sind unbrauchbar. Vielleicht könnte ich aus unseren drei Geräten ein brauchbares machen. Wenn wir auf der Wellenlänge der Roboter systematische Geräusche machen, werden sie vielleicht daran interessiert, uns zu verstehen.«
Er begann die Teile der zerstörten Geräte vor sich auszubreiten. Darkington, unfähig, ihm zu helfen, schämte sich, daß er an keine Möglichkeit zur Rettung gedacht hatte. Er blickte zu den Robotern hinüber. Sie beschäftigten sich miteinander und kümmerten sich nicht um ihre Gefangenen.
Frederika nickte ein. Wie langsam die Nachtstunden vergingen. Aber die Erde war alt geworden und drehte sich so müde, wie er selbst war
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