TTB 104: 200 Millionen Jahre später
war die Stadt der großen Klippen, doch kein Skreer konnte selbst im Traum eine Siebentagesreise in einer Nacht fliegen! Noch während er so dachte, wußte er, daß sein erster Eindruck richtig gewesen war. Deshalb also die nicht endenwollende Nacht, über die er sich gewundert hatte! Jemand zog ihn buchstäblich nach Ptath. War es L'Onee?
Holroyd wurde sich abrupt darüber klar, daß er darauf nicht eingehen konnte. Er mußte sein Reittier zur Landung zwingen. Hier. Jetzt. Sofort! Er empfand ein Gefühl des Sinkens. Im nächsten Moment schoß der Skreer wie ein angreifender Falke auf den fernen Rand des Dschungels hinunter.
Das Land unter ihm schien unbewohnt zu sein. Im letzten Augenblick erspähte Holroyd flüchtig das rote Dach eines kleinen Hauses, umrahmt von einem grünen Wall breit ausladender Palmen; dann war der riesige Vogel über die Baumkronen gerauscht. Er kam in einer Lichtung herunter, landete und lief mit höchster Geschwindigkeit, wie irrsinnig dabei mit den Flügeln schlagend. Als er schließlich zu einem kraftvollen Halt kam, sah Holroyd zum erstenmal die Federbüschel auf seinem gerippten, lederartigen Hals. Der Anblick verdutzte ihn, und er überlegte verwundert, welche Vorfahren der Skreer im zwanzigsten Jahrhundert gehabt hatte. Aber die Entwicklung von Fleisch und Knochenbau war zu radikal; die physikalische Struktur erforderte vermutlich eine äußerst detaillierte wissenschaftliche Untersuchung. Der Gedankengang endete, als eine silberhelle Stimme hinter ihm sagte:
»Es wäre klug von dir, Peter Holroyd – Ptath, abzusteigen!«
Holroyd drehte sich im Sattel um. Ein Mädchen stand zehn Meter entfernt auf einem schmalen Pfad. In ihren dunklen Augen lag ein ruhiger Ernst. Das Feuer ihrer Persönlichkeit war unverkennbar.
»Schnell!« sagte die Stimme dieser neuen L'Onee. »Der fliegende Skreer bleibt unbeaufsichtigt nicht lange auf einer Stelle stehen. Sei vorsichtig und gehe nicht vor ihm vorbei. Er würde nicht zögern, mit dem Schnabel nach dir zu hacken. Überdies«, schloß sie hastig, »haben wir, du und ich, Ptath, nur eine kurze Stunde füreinander Zeit. Wir müssen uns beeilen.«
Holroyd stieg ab und ging langsam auf sie zu. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Ihre Augen leuchteten dunkel und tief. Ihr schwarzes Haar hing über ihren Rücken. Ihr Gesicht sah hübsch und gesund aus – das Gesicht eines Landmädchens. Und ihr Körper war entschieden jugendlich. Holroyd sah, daß sie seine Inspektion mit einem feinen, rätselvollen Lächeln auf den Lippen wahrnahm.
»Zolle diesem Leib nicht zu viel Aufmerksamkeit, Holroyd«, sagte sie endlich. »Es ist der eines Bauernmädchens namens Moora, die mit Vater und Mutter ein Viertelkanb von hier wohnt.«
Ihr keine Aufmerksamkeit zu schenken, war leichter gesagt, als getan. Sie glühte förmlich vor Leben. Als sie sich umwandte und auf dem Waldweg zurückzugehen begann, mußte er sich einen Ruck geben, um sich aus seiner Erstarrung zu lösen und ihr zu folgen. Doch nach und nach gewannen die praktischen Probleme wieder die Oberhand. Holroyd ging eiligen Schrittes hinter dem Mädchen her. Das Laubwerk des Waldes war so dicht, daß die langen, schrägen Strahlen der Morgensonne nicht zu ihnen herunterdringen konnten.
»Wie konnte es geschehen«, rief Holroyd, »daß ich in einer Nacht von Linn nach Ptath flog?«
»Warte mit deinen Fragen«, kam die Antwort. »Und was den Skreer betrifft ... du wirst ihn nicht mehr benötigen.«
Sie gingen weiter. Holroyd dachte daran, wie die gerade vorübergegangene Nacht unnormal lang gewesen war. Sein Empfinden einer herannahenden Gefahr wuchs; die Erkenntnis, daß jede vorüberstreichende Minute ihn vor eine titanische Überraschung setzen konnte, wurde klarer und stärker. War er, der vor noch nicht langer Zeit in einen Kerker gelockt worden war, im Begriff, ohne die geringsten Zweifel derjenigen Frau zu folgen, die ihn hineingelockt hatte?
»Einen Moment ...«, begann Holroyd. Und ließ die Worte versiegen. Der Pfad, eben noch von solch bedrückender Enge, weitete sich vor ihnen. Eine Lichtung erstreckte sich nach allen Seiten, und dort, zu Holroyds Rechten, erhob sich das kleine Haus, das er aus der Luft gesehen hatte. Nichts rührte sich. Eine abgrundtiefe Stille lag über allem.
Holroyd blieb auf der Schwelle des Hauses stehen und warf einen prüfenden Blick in den Erker, der sich rechts von dem vor ihm liegenden Wohnraum befand; dann sah er das Mädchen an.
»Ich bin froh«,
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