TTB 104: 200 Millionen Jahre später
Widerstreben, sich von ihr herumführen zu lassen, sollte einen Vormittag von Fragen und Antworten eigentlich nicht ausschließen. Vielleicht hatte er etwas zu überstürzt gehandelt, als er sie in jenem Bauernhaus so abrupt verlassen hatte. Neben ihm sagte Feldmarschall Nand:
»Wir sind da, mein Prinz. Bitte, nennt die Einheit, die Ihr in Aktion zu sehen wünscht.«
Nennt die Einheit! Holroyd lächelte kummervoll. Wie sollte er Einheiten nennen, deren technische Bezeichnungen er nicht kannte, ohne sich zu verraten? Er blickte zur Frau hinüber und flüsterte hastig:
»Ich will durch das Reich der Dunkelheit gehen. Was jetzt?«
Die Antwort war ... Realität.
Zuerst herrschte nur Finsternis. Sie war intensiv und undurchdringlich. Doch nach einem Moment wußte er, daß sich L'Onee neben ihm befand. Seine Sinne wurden schärfer. Schatten, dachte er, er und die Frau waren Schatten, die durch die Nacht huschten.
Wie weit?
Die Worte berührten sein Gehirn, obgleich sie tonlos und nicht an ihn gerichtet waren. Er konnte das nicht verstehen, genausowenig wie er verstehen konnte, daß er ihren Gedanken überhaupt aufgenommen hatte. Eines jedoch ließ sich nicht bezweifeln. Sein Geist war feinfühliger, als es Menschen jemals möglich war; und er wartete angespannt mit ihr auf die Antwort.
Die Erwiderung kam aus weiter Ferne. Die Gesamtheit von Raum und Zeit tönte seufzend den antwortenden Gedanken; Echos übersättigten die unendlich schwarze Wirbelspirale des Kontinuums und breiteten sich nach allen Seiten überstürzend rascher aus, als die Schattengestalten von Mann und Frau.
Weiter, Sklave!
Aber die Jahre werden bereits lang.
Sie werden länger werden. Weiter, weiter!
Die Nacht der Zeit wurde tiefer. Zeitalter zerrannen in der Schwärze, und Holroyd wurde abgrundtief der Möglichkeit gewahr, daß diese allesumfassende Nacht die Ewigkeit war. Er bemerkte, daß ein Teil des Bewußtseins der Frau furchtsam wurde. Es war für ihn das erste Anzeichen, daß ihr Geist aus zwei verschiedenen, getrennten Teilen bestand. Der eine Teil kämpfte mit unvermögender Wut gegen das an, was ihr Körper tat; der andere Teil war der Sklave, der sich widerstandslos dem unterwarf, was ihm jenes Meistergehirn dort draußen in den Tiefen des Kontinuums vorschrieb. Die lichtlosen Pfade des Universums erbebten unter den Ängsten, die im dienstbaren Teil ihres Bewußtseins loderten – die Ängste, daß alles verloren wäre, daß die Hoffnung selbst in diesem schwarzen Nichts sterben mußte –, und dann kam ihr Gedanke, härter und gespannter als zuvor:
Wie weit?
WEITER, Narr!
Aber wir haben schon hundert Millionen Jahre hinter uns gebracht.
Weiter, oh, viel weiter!
Für einen Moment lang fühlte sich da der versklavte Geist der Frau besser, ruhiger und zuversichtlicher. Und die lange Nacht ging zu Ende.
Holroyd öffnete die Augen und stellte sofort überrascht fest, daß er nicht, wie er geglaubt hatte, auf dem Rücken lag. Seine Füße standen fest auf dem Boden, und von seiner Position aus konnte er Moora, das Bauernmädchen, sehen, die ihn anblickte. Seine Augen suchten weiter. Die vertraute Umgebung des Wohnraums im Bauernhaus im Dschungel, das er vor Stunden verlassen hatte. Holroyds Gedanken stürzten sich auf die Erinnerungen. Wieder hier! Sie hatte ihn zurückgebracht – zurückgebracht durch das Reich der Dunkelheit! Aber wie?
Er fragte ausdruckslos: »Habe ich geträumt?«
»Es war eine Erinnerung«, entgegnete das Mädchen.
Die Erwiderung schien nicht sehr sinnvoll. Holroyd sah das Mädchen prüfend an, doch ihr Gesicht blieb ausdruckslos. Jedoch nach einem Moment fügte sie hinzu:
»Es war die Erinnerung daran, wie Ptath zum erstenmal nach Gonwonlane gebracht wurde. Nur mit deiner Erlaubnis und nur während einer Transportperiode konnte ich dir zeigen, was geschehen war. Du wirst zustimmen, daß es des Erlebens wert ist.«
Holroyd stand reglos und ließ den Film der Erinnerung noch einmal vor seinem inneren Auge ablaufen. »Aber du warst auch dabei!« sagte er schließlich, und einen Moment lang war er überzeugt, einen fatalen Fehler in der ganzen Geschichte entdeckt zu haben. »Tatsächlich warst es sogar du, die mich hergebracht hat!«
Er verstummte und dachte daran, wie ein Teil ihres Geistes versklavt gewesen war, während sich der andere Teil in blindwütiger Rebellion gegen die Befehle der fernen Meisterstimme gesträubt hatte. Er hörte das Mädchen leise sagen:
»Ja, ich war auch dabei, aber nicht
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