TTB 107: Gefängnis im All
Bug zubewegte, der ihn getötet hatte. Dieser, offensichtlich von Panik erfaßt, pumpte immer mehr Kugeln in ihn hinein in dem vergeblichen Versuch, ihn aufzuhalten. Die entsetzlich zugerichtete Leiche kollidierte mit dem Bug, und beide schwebten dann hilflos einen halben Meter über dem Deck. Der Bug schoß weiter ziellos in alle Richtungen.
Das Dock und der dahinterliegende Korridor bildete ein einziges Durcheinander von zuckenden, schlagenden und umhertaumelnden Gestalten, Männern und Bugs, und mitten im Gewühl schwebten die beiden Tragbahren, die sich selbständig gemacht hatten.
Mehrere Male stieß Warren heftig mit Männern oder Bugs zusammen, und einmal verspürte er einen durchdringenden Schmerz in der einen Wade, aber es drang kein Geruch von Chlor in seinen Helm. Warren kämpfte sich seinen Weg an den Gefallenen beider Rassen vorbei, bis er die Korridorwand erreichte.
Warren blieb stehen, um zu Atem zu kommen, den Schmerz in seinem Bein zu verfluchen, das er wegen des bauchigen Weiden-Panzers nicht sehen konnte, und um mit seinem Stirnschwamm den Schweiß von der Innenseite des Helmes zu wischen. Der Schwamm war bereits so vollgesogen, daß er auf dem Glas schmierige Streifen hinterließ, anstatt es zu trocknen, aber Warren konnte trotzdem sehen, daß immer mehr Männer aus dem Durcheinander auftauchten. Einzeln und in kleinen Gruppen schwebten sie an ihm vorbei in Richtung Kontrollraum, Nachrichtenzentrale, Haupt-Reaktor und den besonders wichtigen Gefangenen-Unterkünften.
Warren ging zurück, um sich eine Armbrust aus der Luft zu greifen und einem Offizier ein Bündel Bolzen abzunehmen, der sie nicht mehr brauchen würde. Warren war elend zumute, als er sich zu dem Teil des Schiffes begab, das ihm zur Durchsuchung zugeteilt war. Fünf andere Offiziere hatten die gleiche Aufgabe erhalten, aber er wußte nicht, wie viele von ihnen noch am Leben waren. Er wußte nur, daß ihm sehr wenig Zeit blieb, das zu finden, was er suchte.
Nach Warrens Schätzung hatten die Kampfoffiziere noch für etwa vierzig Minuten Luft in ihren Tanks – im Durchschnitt jedenfalls, denn bei den handgefertigten Tanks, Schläuchen und Ventilen waren gewisse Variationen unvermeidlich. Einige mochten noch Luft für mehr als eine Stunde übrig haben, andere beträchtlich weniger. Es konnte geschehen, daß sie innerhalb dieser Zeitspanne zwar das Schiff in ihre Gewalt bekamen, nur um wenige Minuten später sterben zu müssen, weil sie keine Luft mehr hatten. Viele würden es wohl schaffen, die Gefangenen-Abteilung zu erreichen, denn diese enthielt dauernd eine Atmosphäre, in der Menschen atmen konnten, da es zuviel Zeit, Mühe und Sauerstoff kosten würde, die Räume leerzupumpen und jedesmal vor einem Gefangenentransport wieder neu zu füllen. Allerdings würde das lediglich bedeuten, daß sie wieder Gefangene waren. Es würde keine Möglichkeit geben, aus dieser einzigen Sauerstoffflasche in einem mit Chlor gefüllten Schiff zu entkommen, und ohne die Bugs, welche die synthetische Nahrung herstellen konnten, würden sie verhungern müssen.
Das nächste Bug-Schiff, das einen Besuch abstattete, würde vor einem furchterregenden Rätsel stehen, und ihre Lösung mochte sehr wohl sein, eine Planetenbombe auf die Gefangenen-Kolonie abzuwerfen.
All die schrecklichen Szenen der vergangenen Stunde zogen Warren durch den Kopf. Zweifel stieg in ihm auf, und er mußte sich energisch sagen, daß alles genauso eingetroffen war, wie er es geplant hatte – einschließlich der Verluste. Der Preis des Erfolges, wenn sie ihn errangen, war hoch, aber er war es wert.
Warren bewegte sich im Zickzack die breiten, niedrigen und hellerleuchteten Korridore entlang. Er blickte in alle Räume, die von den Korridoren abgingen und eilte dann weiter. Dieser besondere Abschnitt des Wachschiffs war nicht bekannt, da nur die Hauptkorridore als Tunnel in Huttons Berg nachgebildet worden waren, weil es auch durch noch so tiefes Schürfen im Gedächtnis der Gefangenen nicht gelungen war, über den Zweck oder Inhalt dieser Räume Informationen zu erhalten. Einige der Korridore waren ebenfalls nicht nachgemacht worden.
Plötzlich tauchte ein Bug aus einem Seitenkorridor auf und plumpste wenige Meter vor ihm gegen die Wand. Warren riß seine Armbrust hoch, ließ sie jedoch wieder sinken, als er erkannte, daß der Bug tot war. Er schob sich an dem toten Gegner vorbei und setzte seine Suche fort.
Er spürte jetzt deutlich den Geruch von Chlor in seinem Helm.
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