TTB 108: Die Pest kam von den Sternen
Waffen der eingeschlossenen Militär- und Polizeikräfte sirrten über die Menge. Die Uniformierten hatten sich hinter umgestürzten Lastwagen verschanzt. Tote und Verwundete bedeckten den Platz.
»Doktor, können Sie mir helfen – Doktor!«
Sam hörte die Worte klar durch das Stimmengewirr. Er wandte sich um und sah einen jungen Sanitätssoldaten, der ihn zu sich winkte. Sam warf sich den Riemen der Instrumententasche über die Schulter.
»Sie haben sie gerade hergebracht, Doktor. Ich weiß nicht, was ich mit ihr anfangen soll.«
Der Sanitäter war jung, konnte nicht älter als neunzehn sein. Er mochte sich mit Schuß- und Stichwunden auskennen, hatte sich aber sicher noch nie einem Fall gegenübergesehen, wie er ihm hier präsentiert wurde. Die Frau, die man ihm gebracht hatte, hatte schwere Brandwunden erlitten. Ihr linkes Bein und die ganze linke Körperseite war schwarz verkohlt, Fleisch und verbrannte Kleidung bildeten eine Masse.
»Ich kümmere mich um sie«, sagte Sam. »Verbinden Sie den Polizisten dort drüben. Druckbandage über die Schußwunde.«
Erleichtert wandte sich der Sanitäter ab. Sam preßte den Körperfunktionsmesser gegen das Handgelenk der Frau. Er wußte im voraus, was es anzeigen würde. Großflächige Verbrennungen vierten Grades, Schock, dann den Tod. Er zog eine Decke über den Kopf der Frau und wandte sich dem nächsten Fall zu.
Die meisten Verwundeten waren Soldaten und Polizisten. Die wenigen Zivilisten waren ihrem eigenen Ansturm zum Opfer gefallen, sie waren beim Angriff niedergetrampelt worden. Die Aufrührer benützten bei ihrem hysterischen Versuch, der Stadt zu entfliehen, alle Waffen, deren sie habhaft werden konnten.
Als Sam sich aufrichtete, sah er sich zwei Soldaten gegenüber, die auf ihn warteten. Der Sergeant grüßte militärisch.
»Doktor, wir haben Verwundete auf der obersten Fahrbahn. Können Sie helfen?« – »Wie viele?«
»Nur zwei. Beide von Metall getroffen, das als Wurfgeschoß benutzt wurde. Wir erwarten aber, daß es noch mehr Verwundete geben wird. Wir haben eine zweite Sperre errichtet, weil wir nicht genug Leute sind, um alle Eingänge zu bewachen.«
Sam zögerte nicht. Er warf sich die Tasche auf die Schulter und deutete auf zwei Kisten mit Medikamenten und Verbandszeug, die gerade aus der Ambulanz geladen wurden.
»Gehen wir. Nehmen Sie die beiden Kisten dort.«
Ein großer Hubschrauber wartete auf sie mit rotierenden Flügeln. Sobald sie ihn bestiegen hatten, hob er sich heulend in die Luft, überflog die oberste Fahrbahn der Brücke und landete sanft hinter einer Barriere aus umgestürzten Fahrzeugen. Nervös aussehende Soldaten bemannten die Barriere – der Mob konnte von hier nicht gesehen, wohl aber gehört werden.
Sam wartete, bis die Kisten entladen waren, dann wandte er sich den beiden Verwundeten zu. Der eine Soldat hatte eine Gehirnerschütterung und würde wahrscheinlich ein Auge verlieren, der andere hatte eine große Fleischwunde, für die zwei Verbandspäckchen genügten.
Heisere Schreie erklangen, als die Soldaten die dicken Feuerwehrschläuche an die Hydranten auf der Brücke anschlossen. Eilige Schritte näherten sich auf dem Zement der Fahrbahn, Soldaten mit zerrissenen Uniformen begannen über die Barrikade zu klettern.
»Fertigmachen!« rief ein Captain. »Sie greifen an. Sie haben die erste Barrikade überrannt.«
Sam stand auf der Stoßstange des Befehlswagens und hatte klare Sicht auf die ganze Breite der Fahrbahn. Im Augenblick waren nur die letzten Verteidiger der ersten Barrikade zu sehen, aber ihnen folgte das immer stärker anschwellende Brausen Hunderter von Stimmen, und plötzlich war die Fahrbahn erfüllt von drängenden, sich gegenseitig voranstoßenden Menschenmassen, einem Mob ohne Führer und Pläne, nur getrieben von Furcht und dem Verlangen zu überleben. Sie kamen schnell näher, schwangen wütend ihre Waffen. Sie schrien, aber was sie schrien, ging im Dröhnen der Massen hinter ihnen unter.
Eine Signalpfeife schrillte hinter Sam, anschließend folgte der dumpfe Abschuß der Granatwerfer. Die Schützen hatten gut anvisiert; die Granaten fielen in sauberer Reihe über die ganze Breite der Straße, detonierten und legten eine Schranke von Gas vor die Anstürmenden. Der Mob kam zum Stehen, die wütenden Schreie dröhnten lauter.
»Wird das Gas sie aufhalten?« fragte Sam.
»Bis jetzt hat nichts sie aufhalten können«, sagte der Captain müde.
Immer neue Gasgeschosse krepierten auf der Straße,
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