TTB 108: Die Pest kam von den Sternen
hinten drin, einen toten Hund, den sie wie eine Mumie eingepackt haben.«
Sam war, als fühlte er eine eiskalte Hand in seinem Nacken.
Er schlug die Leinwand zurück, unter der der Hund lag und ließ seine Taschenlampe aufleuchten. Mehrfache Schichten von durchsichtigem Polythen hüllten den Hund ein, konnten aber die häßlichen roten Geschwüre nicht verbergen, die den ganzen Körper bedeckten.
9
Das Laboratorium lag im Dunkeln; nur von dem Fernsehschirm ging ein schwaches grünblaues Licht aus, das Sams Gesicht ein gespenstisches Aussehen verlieh und die schwarzen Schatten unter seinen Augen noch dunkler erscheinen ließ. Er blickte auf das Bild auf dem Schirm und ballte die Fäuste. Unzählige Randsche Viren, winzige gekrümmte und ineinander verschlungene Stäbchen tanzten, von der Fernsehkamera des virologischen Hauptlabors auf die Reise geschickt, auf allen Bildschirmen des großen Hospitals.
Sam gähnte und schloß für Sekunden die Augen. Er müßte schlafen, aber er wußte, daß der Schlaf nicht kommen würde, obwohl er müde genug war. Draußen kroch der Himmel grau durch den Regen, der fast die ganze Nacht gefallen war. Ja, er hätte schlafen sollen. Nita hatte, während sie sich unterhielten, den Kopf nur für Sekunden auf den Arm legen wollen, war aber sofort eingeschlafen. Sie atmete tief und ruhig, völlig erschöpft von den Strapazen der vergangenen Tage.
Ein Signal verkündete den Wechsel des Bildes auf dem Schirm, aber der Laie hätte die Wandlung nicht wahrgenommen. Noch immer tanzten die dünnen Stäbchen über das gewölbte Glas. Der Lautsprecher begann zu summen.
»Identifizierung ist positiv. Die Furunkel des Hundes aus Connecticut enthalten das Virus der Randschen Krankheit, wie es jetzt auf dem Schirm zu sehen ist. Solange die Tests über die Lebensfähigkeit des Virus auf anderen Geweben nicht abgeschlossen sind, erhält das Virus die Bezeichnung Rand-gamma ...« Nita richtete sich auf und strich sich das Haar zurück, während sie gespannt der Stimme aus dem Lautsprecher lauschte.
»Es ist zu schnell gekommen«, sagte Sam und starrte auf seine geballten Fäuste. »Die Mutation durch sieben verschiedene Träger hätte länger dauern müssen. Heute ist kaum eine Woche vergangen.«
»Aber es ist geschehen, dies läßt sich nicht wegleugnen.«
»Es gibt viele Tatsachen, die sich nicht wegleugnen lassen, dort draußen in der Stadt.« Trotz seiner Müdigkeit hielt es Sam nicht auf seinem Platz. Mit langen Schritten durchmaß er den Raum. »Das gesamte Seuchengebiet ist in Auflösung, fällt wieder in die Barbarei zurück. Ich bin Zeuge gewesen, wie es geschah. Nie zuvor ist mir zu Bewußtsein gekommen, daß unsere Zivilisation nur ein dünner Anstrich ist. Wir haben Jahrhunderte gebraucht, um sie zu entwickeln, jetzt genügen ein paar Tage, sie wieder zu verlieren.«
»Sind Sie nicht ungerecht, Sam? Es ist die Furcht, die die Menschen gepackt hat.«
»Natürlich weiß ich, daß sie sich fürchten. Ich selbst bin nicht frei von Furcht, zumal ich weiß, wie schnell sich die Randsche Krankheit ausbreitet und daß wir hilflos dagegen sind. Aber ich weiß auch, was die Masse vergessen zu haben scheint – daß unsere einzige Hoffnung in unserer Fähigkeit zu denken liegt. Dort draußen handeln sie ohne zu denken, sie verurteilen sich selbst zum Tode und ziehen alle andern mit sich. Sie meutern und kommen dabei um. Sie schlagen die Winke, die wir ihnen geben, in den Wind und klammern sich an ihr Federvieh. Warten Sie ab, bis wir anfangen, ihre Hunde zu töten. ›Doch nicht Rex, meinen lieben alten Freund!‹ Dabei ist es Rex, auf den die Krankheit übertragen wird, die ihn und seinen idiotischen Herrn töten wird. Bevor sie sterben, werden sie von der Panik ergriffen. Ich habe sie beobachtet. In einem Mob werden die Menschen zu Bestien. Wir werden auf die Dauer nicht verhindern können, daß einige von ihnen die Quarantänezone durchbrechen. Vielleicht ist es auch nur ein Hund, der durchschlüpft, aber es genügt, um die Krankheit weiter zu verbreiten. Menschen!«
Nitas Stimme klang so ruhig, wie Sams erregt geklungen hatte. »Sie dürfen die Menschen nicht tadeln, weil sie Gefühlen unterworfen sind, Sam. Es ist nur menschlich ...«
»Ich bin so menschlich wie jeder andere«, sagte Sam und blieb vor ihr stehen. »Glauben Sie, ich hätte keine Gefühle? Ich weiß, was in den Menschen da draußen vorgeht, weil sich auch in mir die gleichen atavistischen Gefühle regen. Aber wozu
Weitere Kostenlose Bücher