TTB 109: Unendlichkeit x 5
nichts für euch – sei es aus Scham oder Vorsicht. Nur Multivac wird eure Antworten erfahren, wenn er die Informationen über euch zu eurem Schutz benötigt.
Vielleicht kommen einige von euch auf die Idee, hier und da die Wahrheit etwas beschönigen zu wollen. Tut das nicht, denn der Versuch ist zwecklos. Alle Antworten ergeben zusammengenommen ein bestimmtes Bild. Falsche Antworten passen nicht in dieses Bild, und Multivac sondert sie automatisch aus. Wenn alle Antworten falsch sind, ergibt sich daraus ein anderes Bild, das Multivac ebenfalls erkennt. Deshalb müßt ihr unbedingt die Wahrheit sagen.«
Schließlich nahm doch alles ein Ende – das Ausfüllen der Fragebogen, die feierliche Eidesleistung und die vielen langweiligen Reden. Gegen Abend sah Ben endlich Michael am Stadionausgang und drängte sich zu ihm hin. Michael, der noch immer die Robe eines »jungen Erwachsenen« trug, begrüßte ihn freudig.
Sie aßen zusammen in einem kleinen Restaurant und fuhren dann mit dem Zug nach Hause. Während der Fahrt sprachen sie noch immer von dem großen Tag, der hinter ihnen lag.
Deshalb waren sie keineswegs auf das gefaßt, was sie zu Hause erwartete. Sie erschraken zutiefst, als ein Uniformierter sie vor ihrer Haustür anhielt; als sie ihre Ausweise vorzeigen mußten, bevor sie eingelassen wurden; als sie ihre Eltern schweigend und bekümmert im Wohnzimmer sitzen sahen.
Joseph Manners, der seit heute morgen um Jahre gealtert zu sein schien, sah seine beiden Söhne verwirrt an und sagte: »Ich stehe unter Hausarrest, hat man mir mitgeteilt.«
*
Bernard Gulliman beschäftigte sich nicht weiter mit den Einzelheiten des allmorgendlichen Berichts. Er las nur noch die Zusammenfassung, die in der Tat eine höchst erfreuliche Lektüre darstellte.
Die letzte Generation war anscheinend bereits mit dem Bewußtsein aufgewachsen, daß Multivac jedes geplante Vergehen oder Verbrechen vorhersagen konnte. Sie hatte die Erfahrung gemacht, daß in jedem Fall Korrektionsbeamte auf der Bildfläche erschienen, bevor der Vorsatz in die Tat umgesetzt werden konnte. Sie wußte, daß die Ausführung einer Straftat unweigerlich eine Bestrafung nach sich zog. Und im Laufe der Zeit waren die Menschen zu der Überzeugung gekommen, daß Multivac ihnen überlegen war.
Das natürliche Ergebnis dieser Einsicht bestand darin, daß selbst die Zahl der geplanten Verbrechen zurückging. Dieser Rückgang fiel mit Multivacs Kapazitätserweiterung zusammen, so daß er jetzt auch geringfügigere Vergehen in seinen täglichen Bericht aufnehmen konnte. Auch diese verhältnismäßig belanglosen Straftaten wurden von Tag zu Tag seltener.
Deshalb hatte Gulliman eine Analyse (selbstverständlich von Multivac) über die Möglichkeit gefordert, daß Multivac sich in Zukunft auch mit der Verhinderung von Krankheiten befaßte. Vielleicht würden die Ärzte schon bald zuverlässige Prognosen in die Hand bekommen, welche von ihren Patienten innerhalb des nächsten Jahres an Zuckerkrankheit, Tuberkulose oder Krebs leiden würden.
Vorsicht zur rechten Zeit ...
Und die Untersuchung brachte ein positives Ergebnis!
Am nächsten Tag enthielt der morgendliche Bericht keinen einzigen wahrscheinlichen Mordfall.
Gulliman setzte sich höchst erfreut mit Ali Othman in Verbindung. »Othman, wie verhält sich die durchschnittlich gemeldete Anzahl möglicher Straftaten der vergangenen Woche zu der während meiner ersten Woche als Vorsitzender?«
Sie war um acht Prozent niedriger, so daß Gulliman tatsächlich allen Grund zur Freude hatte. Selbstverständlich war das nicht sein Verdienst, aber die Wähler würden nichts davon erfahren. Er hatte wirklich Glück gehabt, daß seine Amtszeit im richtigen Augenblick begonnen hatte, als Multivac auch den Kampf gegen Krankheiten und Seuchen übernahm.
Gulliman würde seinen Vorteil daraus ziehen.
*
Othman zuckte mit den Schultern. »Wenigstens ist er glücklich und zufrieden.«
»Wann sollen wir es ihm beibringen?« erkundigte Leemy sich. »Seitdem wir Manners unter Hausarrest gestellt haben, ist die Wahrscheinlichkeit sogar noch gestiegen.«
»Als ob ich das nicht wüßte«, meinte Othman. »Ich möchte nur den Grund dafür wissen ...«
»Vielleicht hat er doch Komplizen, wie du angenommen hast. Nachdem Manners ausgeschaltet ist, müssen sie sofort handeln oder den Plan ganz aufgeben.«
»Nein, genau anders herum. In diesem Augenblick würden die andern sich schleunigst in Sicherheit bringen wollen.
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