TTB 109: Unendlichkeit x 5
zwei Köpfe besser als einer.«
»Wenn Sie meinen ... Ich glaube, daß der Mann sich ernsthaft und mit Erfolg Gedanken über die Reflexion von Gammastrahlen gemacht hat.«
»Und das bedeutet?«
»Eine wirksame Abschirmung gegen Gammastrahlen würde den Bau echter Schutzbunker ermöglichen. Schließlich ist eigentlich nur der radioaktive Fallout gefährlich, wie Sie wissen. Eine Wasserstoffbombe allein zerstört vielleicht eine ganze Stadt, aber der Fallout kann die Bevölkerung eines Landes langsam, aber sicher töten.«
»Beschäftigen wir uns ebenfalls mit diesem Problem?« fragte Brand rasch.
»Nein.«
»Das heißt also, daß die Russen nach Beendigung ihres Bauprogramms die Vereinigten Staaten in toto zerstören können, wenn sie die Vernichtung einiger ihrer Städte in Kauf nehmen?«
»Das wäre unter Umständen möglich ... Aber was soll die ganze Aufregung? Schließlich beschäftigen wir uns doch nur mit einem Mann, der einen Buchstaben in seinem Namen geändert hat.«
»Schön, dann bin ich eben übergeschnappt«, sagte Brand. »Aber ich gebe nicht so schnell auf. Nicht an diesem Punkt. Ich werde Ihnen die Liste der verschwundenen Atomphysiker beschaffen, und wenn ich deswegen selbst nach Moskau muß.«
*
Er brachte eine vollständige Liste bei. Dann wurden sämtliche Arbeiten überprüft, die von diesen Wissenschaftlern stammten. Schließlich berief Dr. Kristow eine Sitzung der Kommission ein, der sogar der Präsident beiwohnte.
Brand traf sich nach Beendigung der Sitzung mit Dr. Kristow. Beide Männer hatten tiefe Schatten unter den Augen und brauchten offensichtlich dringend einen Urlaub.
»Nun?« fragte Brand.
Kristow nickte. »Die meisten sind der gleichen Meinung. Einige Mitglieder der Kommission haben noch Zweifel, aber die meisten sind einverstanden.«
»Wie steht es mit Ihnen? Sind Sie sich sicher?«
»Keineswegs, aber ich kann Ihnen meine Auffassung logisch erklären. Ich glaube eher daran, daß die Russen an einer Abschirmung gegen Gammastrahlen arbeiten, als daß ich mich davon überzeugen ließe, die bisher festgestellten Tatsachen hätten keinen Zusammenhang untereinander.«
»Heißt das, daß wir uns jetzt ebenfalls mit dem Problem der Reflexion von Gammastrahlen befassen?«
»Ja.« Dr. Kristow fuhr sich mit den Fingern durch die kurzgeschnittenen Haare. »Wir werden unsere gesamten Anstrengungen nur darauf konzentrieren. Da uns die Arbeiten der verschwundenen Wissenschaftler zur Verfügung stehen, schaffen wir es vielleicht sogar noch vor ihnen. Vielleicht ... Allerdings werden die Russen bald herausbekommen, was wir vorhaben.«
»Sollen sie doch!« meinte Brand. »Dann greifen sie uns wenigstens nicht an. Ich sehe nicht ein, daß wir zehn Städte opfern sollen, um zehn von ihren zu zerstören – wenn beide Seiten geschützt sind, aber die andere zu dumm war, um es zu merken.«
»Aber nicht zu bald. Wir müssen vermeiden, daß sie es zu bald erfahren. Was machen wir übrigens mit diesem Zebatinsky-Sebatinsky?«
Brand schüttelte verdrossen den Kopf. »Bisher haben wir noch keinen Hinweis darauf gefunden, daß er etwas mit der Sache zu tun hat. Dabei hatten wir ihn gründlichst unter die Lupe genommen! Aber ich bin selbstverständlich Ihrer Meinung. Wir dürfen ihn nicht in seiner gegenwärtigen Position belassen – das Risiko wäre zu groß.«
»Aber wir können ihn auch nicht plötzlich an die Luft setzen, ohne daß die Russen sich ihre Gedanken machen.«
»Haben Sie eine bestimmte Idee?«
»Ich habe mir seine Arbeiten angesehen«, sagte Dr. Kristow.
»Er ist gut, besser als die meisten, und anscheinend mit seinem jetzigen Posten nicht sehr zufrieden. Wahrscheinlich hat er nicht das richtige Temperament für die Zusammenarbeit innerhalb eines Forscherteams.«
»Deshalb?«
»Aber er wäre gut für eine akademische Position geeignet. Ich glaube, daß er begeistert zugreifen würde, wenn eine der größeren Universitäten ihm einen Lehrstuhl für Atomphysik anböte. Auf diese Weise wäre er harmlos beschäftigt, wir könnten ihn im Auge behalten, und die Russen hätten keinen Grund zu mißtrauischen Gedanken. Was halten Sie davon?«
Brand nickte. »Wenigstens ein Vorschlag, der annehmbar klingt. Ich werde mit dem Chef darüber sprechen.«
*
Marshall Sebatinsky konnte vor Aufregung kaum sprechen. Er sagte zu seiner Frau: »Ich habe tatsächlich nicht die geringste Ahnung, wie das alles gekommen ist. Ich hätte nie gedacht, daß mich überhaupt jemand
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