TTB 115: Diplomat der Galaxis
unter die Matratze geschoben. Jedes Mal, wenn der Wachposten hereinsah, saß er ruhig auf seiner Pritsche und starrte an die Wand. Plötzlich erschien der Anfang eines Seils, fest verknüpft mit dem Fadenende. Retief ließ es ein paar Zentimeter zurückrutschen, wartete, bis der Wachtposten vorbei war und machte sich dann schnell an die Arbeit.
Fünf Minuten später lag im sicheren Versteck der Matratze ein dreißig Meter langes Polyonseil. Retief steckte die winzigen Sägeblätter, die am Ende des Seils festgemacht gewesen waren, in die Tasche seiner weißen Uniformhose. Er stellte sich unter das Fenster, schätzte die Entfernung und sprang. Er zog sich hoch, hielt sich mit einer Hand an den Gitterstäben fest und begann zu sägen.
Eine Stunde später waren beide Stäbe so durchgesägt, daß man sie mit einem einzigen festen Griff auseinanderbiegen konnte. Retief wartete, bis der Posten seine Runde gemacht hatte. Dann ließ er die Sägeblätter in den Abfluß fallen, schlug das Seil über seine Schulter und zog sich wieder am Fenster hoch. Weit unten glänzte das Mondlicht auf einem Brunnen des Palastgartens. Die Schatten der Bäume und Hecken krochen dunkel über das Gras. Auf den Kieswegen hörte man die knirschenden Schritte der Wachen. Retief bog die Stäbe auseinander, befestigte an einem von ihnen das Seil und ließ es in die Tiefe hinabgleiten. Er quetschte sich durch die enge Öffnung, bog die Stäbe wieder zurecht und rutschte in die Tiefe.
*
Ein paar Meter weiter unten landete Retief auf einem schmalen Balkon vor einer Reihe von Glastüren. Mit einem Ruck befreite er das Seil. Das Ende der durchgesägten Stange fiel klirrend auf den Steinboden. Er rollte das Seil zusammen und legte es in eine Ecke. Dann probierte er sämtliche Türen. Eine Klinke bewegte sich. Schwere Vorhänge streiften ihn, als er sich durch den dunklen Raum tastete. Endlich hatte er eine Tür gefunden. Er öffnete sie und blickte in einen breiten Korridor. Zwei Männer in malerischen Uniformen standen auf Wache. Sonst war niemand zu sehen. Retief ließ die Pistole in seine Hand gleiten, trat auf den Gang hinaus und ging auf die Wachen zu. Sie regten sich nicht. Als er vorbeiging, sagte der eine von ihnen ruhig:
»Grünrücken patrouillieren einen Stock höher ...«
»Sie beobachten, ob sie irgendwo verdächtige Bewegungen erkennen können ...«, fügte der andere hinzu.
»Gut«, sagte Retief leise. »Und macht euch keine Sorgen, wenn es oben ein bißchen laut zugeht. General Hish bekommt Besuch ...«
Retief folgte dem Korridor, wandte sich nach links und dann wieder nach rechts, fand den Gang, in dem die Groaci-Botschaft untergebracht war. Er war hell erleuchtet. Die vierte Tür links – das war das Appartement des Militär-Attachés ...
Ein Offizier der Grünrücken kam ihm vom anderen Ende des Ganges entgegen. Er blieb stehen, als er Retief erblickte und ging schließlich unsicher auf ihn zu. Zehn Schritt vor Retief blieb er wieder stehen. Er hatte sein Gegenüber jetzt erkannt und griff zur Waffe. Retief hob seine Pistole und feuerte. Der Offizier fiel zu Boden. Seine Energiepistole schlug gegen die Wand. Retief nahm die Waffe an sich, ging auf die Tür des Groaci-Generals zu und feuerte auf das Türschloß ein paar kurze Strahlenstöße ab. Die Metallbestandteile lösten sich in einer blauen Flamme auf. Ein scharfer Geruch von verbranntem Kunststoff und Metall zog durch den Gang. Er stieß die Tür auf, packte den zusammengesunkenen Grünrücken an den Beinen und zerrte ihn ins Innere. Eine kurze Untersuchung zeigte ihm, daß der Raum leer war. Er nahm das Telefon auf und wählte.
»Hier Posten Nummer 20 der Palastwache«, meldete sich eine schnarrende Stimme.
»Hier ist der Gast des Generals«, meinte Retief. »Das Licht in der Halle könnte dem General Augenschmerzen verursachen. Korridor 9-C. Glauben Sie, daß man es dämpfen könnte?«
»Wir hatten erst kürzlich in diesem Trakt mit den Sicherungen Schwierigkeiten. Ich habe das Gefühl, daß in den nächsten Minuten eine durchbrennen könnte – und es dauert etwa eine Stunde, bis sie wieder gerichtet ist.« Retief legte auf.
Er schaltete die Lichter wieder aus, ging in eine kleine, verschwenderisch ausgestattete Küche hinüber und durchsuchte die Vorräte der Groaci. Er fand ein großes Glas Kaviar und ein Paket Haferflocken. Während er aß, hielt er seinen Blick ständig auf die Tür gerichtet. Er trank noch ein Gläschen des vorzüglichen
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