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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilaria Palomba
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Muskeln tun weh, vor allem der Rücken. Sie streckt sich, gähnt, steckt sich die Finger in den Mund und knabbert an den Ecken des Daumennagels. Zwischen ihren Zähnen breitet sich der Geschmack nach Plastik aus.
    Nicola setzt sich auf den Sessel vor Stellas Schreibtisch. Er schlägt das linke Bein über das rechte, setzt die Brille auf und durchblättert das Buch.
    »Also?«, fragt er, ohne die Augen vom Buch zu heben. »Worum geht es in ›Das Sein und das Nichts‹?«
    Was willst du, zum Teufel noch mal?
    »Es geht um verschiedene Sachen, man kann sie nicht so einfach zusammenfassen.«
    »Sag mir, was du verstanden hast.«
    Stella kaut so sehr an ihren Fingernägeln, bis sie schließlich bluten. Die Fingerkuppen brennen, und sie spürt den Schleim und Dreck in ihrer Nase. Sie möchte aufstehen, sich das Gesicht waschen, duschen – und darf nicht. Nicht jetzt, jetzt muss sie sich durchsetzen, die Herausforderung meistern, das ist der Preis der Freiheit, denkt sie.
    »Ein Thema sind die drei Seinsbereiche«, fängt sie schüchtern an.
    »Die da wären?« Ihr Vater hebt den Blick vom Buch und fordert sie durch eine Handbewegung auf fortzufahren.
    »Die da wären: das Sein an sich, das dem Ich entspricht, das An-sich-sein, das der Welt entspricht, und das Für-sich-sein, das dem Bewusstsein entspricht beziehungsweise dem Ich, wie es von der Außenwelt gesehen wird.«
    »Und wie kommt es, dass die Außenwelt das Bewusstsein eines Menschen bestimmt?« Nicola reißt die Augen auf, erwartet die Antwort, als ob alles von diesen Worten abhinge.
    Stella überlegt einen Augenblick. Ein Bild schießt ihr durch den Kopf: Marco, der Lory gierig anstarrt. Sie spürt noch immer die Wut im Bauch.
    »Der Blick«, antwortet sie, »der Blick des Anderen bestimmt uns als Bewusstsein, er gründet uns, er bewirkt, dass wir etwas sind oder nicht sind, als ob wir uns zum ersten Mal in einem Spiegel sehen könnten.«
    Stellas Vater läuft im Zimmer auf und ab, vielleicht denkt er darüber nach, dass seine Tochter doch nicht so blöd ist, dass die Drogen noch nicht alle grauen Zellen zerstört haben. Er reibt sich die Hände, zieht sein rotes Hemd, das sich über dem Bauch gekräuselt hat, wieder glatt. Stella sitzt in der Zwischenzeit da, mit gerunzelter Stirn und zusammengekniffenen Augen, in der Befürchtung, eine Menge Blödsinn von sich gegeben zu haben.
    »Es ist tatsächlich so, Stella, der Blick des Anderen bestimmt uns als Menschen, funktioniert wie ein Spiegel.« Er unterbricht sich. »Es ist aber nie derselbe Spiegel. Was passiert denn, wenn wir uns ausschließlich vom Blick der anderen bestimmen lassen?«
    »Der Spiegel zerbricht«, antwortet sie instinktiv, »und wir wissen nicht mehr, wer wir sind.«
    Der Vater schweigt, macht ein Gesicht, als suche er nach den Worten, um seiner Tochter zu erklären, dass sie recht hat, dass es genau so ist, dass es aber etwas gibt, was jeder zu tun hat, um seine Identität zusammenzuhalten. Aber scheinbar kann auch er sich gerade nicht entsinnen.
    »Wir dürfen nicht zulassen, dass die Blicke uns zerstören. Wir dürfen es nicht, Stella! Denk immer daran.«
    Er verlässt das Zimmer. Sie sitzt wie angewurzelt da.
    Was wollte er mir damit sagen?

ALBERTO
    »Alberto? Ich bin’s, Stella. Jetzt ist es leider schon zu spät, um zum Strand zu gehen ...«
    »Es ist nie zu spät, um zum Strand zu gehen, Stella. Heute Nacht steigt ’ne Strandparty hier in Travia.«
    »Schön, aber ich hab’ kein Auto.«
    »Dann nimm doch den Zug.«
    »Und wie komme ich zurück nach Hause?«
    »Du kannst bei mir schlafen.«
    »...«
    »Mach dir keine Sorgen, ich habe keine Hintergedanken.«
    »Und was ist mit Lory?«
    »Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich darum.«
    Hm, eigentlich hab’ ich keine Lust, mit Alberto zu schlafen. Wenn Marco aber erfährt, dass ich bei Alberto übernachtet habe, und dass ich auch ohne ihn mit Alberto rumhänge ...
    Um sieben Uhr abends sitzt sie schon im Zug nach Castel di Travia. Ein Notizbuch in der Tasche und Kopfhörer in den Ohren, aus denen Elektro schallt. Sie steigt aus dem Zug. Alberto lehnt rauchend an einer Laterne und wartet.
    »Eh Mann, alles klar?«, ruft er.
    »Bis jetzt ja, aber wenn ich erst morgen nach Hause zurückkomme, werden sie mir den Arsch aufreißen. Aber was soll’s«, sagt Stella und lächelt.
    Sie machen sich auf den Weg zu Albertos Wohnung. Die Straße ist geflutet vom roten Licht des Sonnenuntergangs, es ist so warm, dass sie trotz Shorts und tiefem

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