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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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wieder. Freiwillig hätte ich sie sowieso nicht wieder betreten.
    Ich lag im Bett und versuchte, an nichts zu denken. Vor allem nicht an ihn und an das, was wir miteinander getan hatten! Nie! Nie! Niemals wieder! Hab ich in mein Hirn gehämmert. Und geweint.
    Trotzdem! Tagelang hab ich das Telefon belauert, bin zum Postkasten geschlichen ... kein Zeichen!
    Niemals mehr ein Zeichen von ihm!
    Dann endlich die Sommerferien. Das Ende der Grundschul zeit !
    Mein Vater hat mich am Stadtgymnasium angemeldet.
    Vorbei. Das alte Leben.
    Ein neues nun!
    Meine ganze Hoffnung! Dieser Neuanfang!
    Und Steffen?
    Ich wollte ihn nie wieder sehen.
    Ich wollte ihn wieder sehen ...
    Ich habe ihn nie wieder gesehen.
    Damals habe ich dicht gemacht. Unsichtbare Eisenringe um mein Herz gelegt. Große Teile meines Hirns mit Verbotsschildern zugenagelt. Und in Drachenblut gebadet!
    Ganz ohne Wirkung waren sie nicht, meine Rettungsmaß nahmen. Schließlich gibt es mich noch. Aber diese verdamm te Lindenblattstelle, die ist immer noch da. Und ich kann sie einfach nicht loswerden.
    Niemals!
    Niemals mehr?
     
    Ich muss weg.
    Ich halte diese Hütte nicht länger aus.
    Mir wird kalt. So kalt wie damals. Trotz Schlafsack und Septembersonne ist mir zum Erfrieren kalt.
    Ich packe meine Sachen und steige aufs Rad. Heute fahre ich die alte Strecke. Seit sechs Jahren das erste Mal. Ich weiß nicht, warum ich mich gerade heute traue, an unserem Haus vorbeizufahren.
    Weil es Eva noch gibt?
    Mir zittern die Knie, mein Herz klopft, meine Hände schwit zen.
    Unverändert liegt es vor mir, dieses kleine Haus mit den roten Klinkern. So, als hätte es die letzten sechs Jahre gar nicht gegeben.
    Die Blumenschalen vor der Tür immer noch bepflanzt mit gelben Stiefmütterchen. Das Basketballnetz hängt immer noch spielbereit an der Hauswand.
    Eine junge Frau zupft Unkraut im Vorgarten. Hinterm Haus hör ich Kinderstimmen. Schnell fahr ich vorbei. Zum Nachbarhaus. Drücke den Klingelknopf bei Udo, Renate und Eva Schmidt. Aber das vertraute Summen des Türöffners bleibt aus. Als Antwort nur Schweigen.
    Trotzdem. Ich setze mich auf die alte Holzbank vor dem Haus und warte.
    Es war nicht nur Steffen, der in diesem Sommer gegangen ist.
    In diesem Sommer ging auch sie.
    Nur kurze Zeit später.
    Sie war häufig unterwegs. Das war ungewöhnlich. Aber wir haben noch nicht geahnt, warum.
    Und dann die Sommerferien!
    Wir haben keine Reise gemacht. Und mein Vater war häufiger zu Hause als sonst.
    Die Stimmung war seltsam. Nicht greifbar. Aber irgendwie gespannt.
    Mein Vater hat mich mit Sportangeboten überschüttet. Schwimmen, Basketball, Badminton.
    Wieder mal mit dem Tennisclub gelockt. Mir ein kleines Trampolin für den Garten gekauft.
    Mir reichte die Hängematte unter der Buche. Das machte ihn rasend.
    «Mensch, Zeno! Ein Junge in deinem Alter! Der kann doch nicht den ganzen Tag in der Hängematte liegen!»
    « Und warum nicht ?»
    Diese Frage war nicht eingeplant. Sie kam ganz unaufgefordert einfach so aus meinem Mund.
    Ihm ist die Hand ausgerutscht. Und er hat mich getroffen.
     
    Dann der zehnte August.
    Seit Wochen der erste Regen. Wohltuend, nach dieser ewigen Hitze.
    Wir sind zu dritt.
    Mein Vater hat Pizza bestellt.
    Er muss uns etwas sagen, hat er gesagt.
    Schon seit Tagen liegt es in der Luft, dieses «Etwas».
    Und kündigt eine Katastrophe an.
    Das spürt auch Laura. Laura, die meistens gut drauf ist. Seit Tagen ist sie seltsam still.
    Wir drei also! Mein Vater, Laura und ich!
    «Wo ist Mama?»
    «Guten Appetit!», sagt er. Und keine Antwort auf meine Fra ge.
    Mein Magen kann heute beim besten Willen keine Pizza aufnehmen.
    Appetit hat keiner an diesem Abend.
    «Also!», sagt er.
    Nach diesem «Also» ahne ich schon alles.
    Es hat mit ihr zu tun.
    Irgendwas ist passiert.
    «Eure Mutter!», sagt er. Mehr sagt er nicht.
    Er setzt das Bierglas an die Lippen, trinkt es leer in einem Zug.
    «Nun sag schon!», sagt Laura. Und ist ganz blass hinter ihrer Sonnenbräune.
    «Also, eure Mutter zieht aus. Sie geht nach Holland!»
    Er schenkt sich ein zweites Glas ein, schluckt es herunter wie ein Verdurstender.
    «Und wir?», sagt Laura.
    «Ihr bleibt bei mir!», sagt er.
    «Und warum geht sie?»
    «Weil sie einen anderen liebt. Deshalb!»
    Die Pizzareste sind im Mülleimer gelandet. Ich hab noch nicht mal geheult. Nie wieder hab ich geheult. Cool und unverwundbar bin ich geworden. Nein, nicht wirklich. Die verdammte Lindenblattstelle...
    Am nächsten Tag war sie wieder

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