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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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Bilder weg zuschicken, die ich nicht sehen will. Das Matrosenkleid klebt an meiner Pupille und bewegt sich nicht fort. Ich reiße mir Jeans und T-Shirt vom Leib. Mein Herz klopft, meine Hände zittern, als ich den schwarzen Rock anziehe, das enge T-Shirt, die Ketten um den Hals lege, das Haarband öffne und den Lippenstift aufdrehe.
    « Unsere Schöne!»
    Nein! Ich will nicht! Ich will das nicht!
    Ich will mir die Arme tätowieren lassen. In schwarze Motor radhosen steigen, schmuddelige T-Shirts tragen.
    Ich will sein wie sie!
    Ich will nicht sein, wie ich bin!
    Ich will nicht!
    Und doch bin ich nicht wie sie. Ich bin anders. Ich bin Zeno.
    Und deshalb ist es richtig so ...
    Ich kann nicht sein wie sie. Ich will nicht sein wie sie!
     
    Da klingelt es.
    Ich reiße mir die Sachen vom Leib. Wische mir über die Lip pen.
    Jeans, T-Shirt, Haarband. Ein Blick in den Spiegel. Das Gesicht gerötet.
    Heute besonders schön.
    Wer kann das sein?
    Samstags um zwei? Vielleicht Eva?
    Die Gegensprechanlage verrät mir:
    «Tom, Alex und Jannik!»
    Die drei Killer! Was wollen die von mir?
    Bis jetzt hatte ich Glück. Bis jetzt haben sie mich in Ruhe gelassen. Bis jetzt haben sie ihre Spielchen mit dem Referendar getrieben. Ich fürchte mich vor ihnen. Ich bin ihnen nicht gewachsen. Meine Sprache reicht nicht aus. Meine Muskeln sind zu schwach. Die Killer vergeuden ihre freie Zeit nicht mit Hausaufgaben. Nein. Sie bringen sich im Kraftraum eines Fitnessstudios auf ihre individuelle Höchstform. Täg lich zwei bis drei Stunden.
    Jetzt poltern sie durchs Treppenhaus.
    So laut ist es in der Mozartstraße noch nie gewesen.
    «Gutes Training bis in deinen Olymp!», sagt Tom. «Das soll ten wir uns öfter gönnen.»
    «Geile Bude!», sagt Alex und wirft sich mit seinen Lederstiefeln auf das gelbe Sofa.
    «Jetzt einen Drink!», sagt Jannik und holt MTV in unser Wohn zimmer.
    Um vier sind sie immer noch da.
    «Total gemütlich bei dir, Zeno! Und keine Alten, die dich nerven! Du bist ein Glückspilz, echt!»
    Sie fühlen sich offensichtlich wohl. Es sieht nicht so aus, als wollten sie die Wohnung in diesem Leben je wieder verlas sen.
    Sie haben eine Flasche Whisky geleert, zwei Schachteln Zigaretten geraucht, MTV geguckt, sich aus dem CD-Angebot der Familie Zimmermann bedient.
    Um halb fünf reibt Alex sich den Bauch.
    «Wie wär ’ s mit einer kleinen Mahlzeit?»
    Warum sag ich nichts?
    Warum werf ich sie nicht raus?
    Wenn mir jetzt nichts einfällt, werd ich sie nie wieder los.
    «Mein Vater kommt gleich!», sage ich.
    Aber das erschüttert niemanden.
    «Nix dagegen!», sagt Tom.
    «Bin gespannt auf deinen Alten. Ich hab nämlich keinen !», sagt Jannik.
    «Du kommst doch sicher an der Mikrowelle vorbei!», sagt Alex.
    Ich werfe die letzten Fertigpizzas in den Ofen. Überbleibsel aus den Zeiten, als mein Vater noch gekocht hat. Dann hole ich Bier aus dem Keller und wünsche mir, dass ein Wunder passiert. Oder mein Vater zurückkommt.
    Aber mich rettet mal wieder niemand.
    Darum muss ich mich selber kümmern.
    Als ich aus dem Keller komme, stehen die Killer am Fenster und kreischen wie blöd. Mein Gott, sind die betrunken! Jetzt wünsch ich mir fast, mein Vater möge sich heute hier nicht mehr blicken lassen.
    «Gibt ’ s was?»
    Ich werfe einen Blick auf die Straße. Vor dem Haus gegen über stehen fünf Taxis, vor der Haustür fünf Taxifahrer. Meine drei Gäste klopfen sich auf die Schenkel und lachen schrill.
    «Habt ihr die bestellt?»
    «Geil, was?»
    Fehlt mir der Sinn für Humor, oder was? Ich kann das absolut nicht komisch finden.
    Taxifahrer verarschen! Schwachsinnig und gemein!
    «Mensch, Zeno! Guck nicht so, als war gerade deine Mutter gestorben! Wir wollten dir eine Freude machen! Sozusagen unser Gastgeschenk!»
    Mir fällt nichts mehr ein. Absolut nichts.
    Sie schaufeln sich die Pizza rein, spülen sie mit Bier runter. Die Gläser sind absolut überflüssig.
    «Klasse, Zeno! Wie du für uns sorgst!»
    Zigaretten als Nachspeise ...
    Unsere Wohnung sieht aus wie ein Schlachtfeld. Es stinkt wie in der billigsten Kneipe.
    «Du redest zu wenig, Zeno! Und du lachst zu wenig! Weiß keiner einen Witz für unseren Schönen?»
    Mir wird unbehaglich.
    Alex schaut mich an. Sein Blick ist nicht ganz klar. Und doch lauert irgendwas dahinter.
    Aufpassen, Zeno!
    «Eine Lesbe kommt zum Metzger. Na, Zeno, was hat die wohl für Wünsche?»
    Mir wird schwindelig. Ich muss mich setzen. Durchhalten, Zeno!
    «Keine Ahnung!», sage ich

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