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Tuchfuehlung

Tuchfuehlung

Titel: Tuchfuehlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Meissner-Johannknecht
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alles.
    Um sechs setze ich mich neben die Badewanne, lass meine schwarzen Leinenhosen von Sophia nass spritzen, fühle mich wohl, ... eine Ahnung vom Glück!
    Um sieben schläft Sophia tief und fest. Um halb acht sitze ich immer noch an ihrem Bett. Ihre kleine, warme Hand in meiner. Wie festgewachsen. Aber ich muss mich losreißen. Ich muss die Zeitschriften lesen. Ich muss viel mehr wissen. Über sie. Über alle, die so sind. Über mich.
    Aber vorerst komm ich noch nicht nach oben. Das Abend essen steht auf dem Küchentisch. Spaghetti mit Krabben soße.
    «Bleib doch, Zeno!» Markus lächelt heute besonders char mant. « Bitte!»
    Na gut! Ewig wird das Fest hier sicher nicht dauern. Die Leute mit den kleinen Kindern sind schon gegangen. Aber die Omas und Opas finden es jetzt erst richtig gemütlich. Und so wunderbar ruhig! Sie sitzen, sie essen, sie rauchen, sie trinken Sekt. Sophia hat drei Omas und drei Opas. Selt sam.
    So viele? Um zehn schaffe ich endlich den Absprung. Unter Protest zwar, aber meine Unruhe wächst. Ich kann nicht bleiben.
    Auf dem Flur hält mich jemand zurück. Ich spüre eine Hand an meinem Arm.
    «Warte mal!»
    Ein Mann steht hinter mir.
    «Das ist Sophias Patenonkel Martin aus München. Bis Weih nachten bleibt er bei uns.» Hat Vera gesagt, als sie mich vorgestellt hat. «Martin hat hier zu tun. Er ist Regisseur. Um ihn musst du dich nicht kümmern!»
    Dabei hat er ziemlich unverschämt gegrinst, dieser Typ. So wie jetzt auch.
    «Ich hätte einen Auftrag für dich», sagt er.
    Martin könnte mein Vater sein. Mitte vierzig, schätze ich. Aber noch gut beisammen. Schlank, schwarze Haare, nacken lang, einfach nach hinten gekämmt. Eine winzige Brille, hauchdünner Goldrand. So wie Brahms und Schubert ihre Brillen trugen. Er ist kleiner als ich, aber irgendwas lässt ihn doch größer erscheinen. Er ist sich seiner sehr sicher. Vielleicht ist es das.
    «Einer der besten Regisseure Deutschlands!», hat Vera ge sagt.
    Ich kenne ihn nicht. Seit Lauras Flug über den Atlantik war ich nicht mehr im Theater.
    Jetzt steht er vor mir, schwarze Jeans, schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Stiefel und sagt:
    «Ich hätte gerne eine schwarze Hose wie du. Auch ein Hemd. Ich such so etwas schon lange. Aber momentan schei nen die Modemacher andere Modelle zu bevorzugen!»
    Der berühmte Martin M. macht bei Zeno Zimmermann eine Bestellung?
    Steht er wirklich vor mir? Oder ist es nur eine Vision? Rot käppchen, ist das der Wolf?
    «200 fürs Nähen? Reicht das?»
    Langsam glaub ich echt, dass der Typ spinnt. Für 200 findet er doch genug Leute, die ihm das Zeug nähen.
    «Wieso gerade ich? Ich hab keine Ahnung vom Nähen. Ein VHS-Kurs, mehr nicht!»
    «Dann bist du eben ein Naturtalent! Deine Sachen sind be son ders originell. Sehr schlicht, sehr einfach, aber sie haben trotzdem was. Diese ganz besondere, faszinierende Note. Die erkennt nur der, der so was liebt. Und ich liebe es. Das ist alles. Also?»
    «Bis wann?»
    «Möglichst sofort!»
    « Ich sag morgen Bescheid!»
    Bloß weg! Irgendwie ist er mir unheimlich, dieser Martin M. aus M.
    Applaus und Dankeshymnen lasse ich zurück. Ich fliege die 163 Stufen hoch – zu meinem Schrankversteck. Mit Herzklopfen, verschwitzten Händen. Atemlos schließe ich die Tür auf.
    Im Flur brennt Licht. Aus dem Wohnzimmer Stimmen und Musik.
    «Bist du ’ s, Zeno? Komm rein!»
    Sie sitzen auf der Couch. Eng, so eng hab ich meine Eltern nie auf der Couch sitzen sehen.
    «Ich hab sie angerufen, Zeno! Sie freut sich, wenn du Weih nachten kommst!»
    Er guckt entspannt. Er guckt erleichtert. Da erst fällt mir meine Bekleidung ein. Aber es ist dunkel im Zimmer. Trotzdem, Beates Kontaktlinsen entgeht so schnell nichts.
    «Du bist ja heute noch schöner als sonst, Zeno! Steht dir gut, das lange Haar. Und deine Klamotten! Umwerfend! Komm doch mal näher!»
    Mein Vater interessiert sich mehr für den Krimi. Er sagt nichts.
    «Gute Nacht!», sage ich und verlasse die beiden. Ich schließe mein Zimmer ab. Für alle Fälle. Hole die beiden Maga zine aus dem Versteck und lege mich ins Bett. Ich bin aufgeregt. Eine neue Welt liegt vor mir. Meine Welt? Ich betrachte die Titelbilder . «magnus». Zwei Männer. Zu sehen sind nur die Köpfe, aneinander gelegt, die Augen geschlossen, innig, vereint. Ein schönes Bild. Das, was ich mir wün sche. Das Titelbild von «Männer aktuell» dagegen ist abstoßend. Zwei Männer, diesmal bis zur Unterhose, die Ober körper nackt, Muskelpakete, braune

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