Tuchfuehlung
ich los. In zwei Wochen ist Premiere. Hast du Lust zu kommen?»
Ich nicke.
«Hast du bis dahin die Sachen fertig? Das w ä r genau das Richtige für die Premierenfeier!»
Er ist eitel. Aber seine Eitelkeit ist erträglich.
Ich nicke. Meine Stimme heute, keine Ahnung, wo die geblie ben ist.
Ich steh auf. Meine Augen sagen ihm: «Komm mit!»
Er folgt mir in Lauras Zimmer. Die Schaufensterpuppe heu te in Schwarz. Steht ihr gut.
«Wenn ich nur halb so gut ausseh wie die Lady!», sagt er. «Dann kann ich mich vor Angeboten nicht mehr retten!»
Er zwinkert mir zu. Ich werde rot.
Welche Angebote meint er? Berufliche, private?
«Ich muss mich wohl ausziehen!», sagt er. Und sieht dabei nicht so aus, als war ihm das unangenehm.
Unter seinen Jeans und dem Rollkragenpulli nur ein Slip. Calvin Klein! Er ist wirklich ein Snob.
Ich sollte jetzt besser wegschauen, aber ich schieb die Warnsignale zur Seite ...
Er hat einen schönen Körper. Schlank und muskulös. Fit vom Krafttraining? Abgehärtet durch Sauna und Waldlauf? Noch braun von irgendwelchen Sonnenstrahlen. Natur oder Steckdose.
Martin M. vernachlässigt seinen Körper nicht.
Er hat mir den Rücken zugewandt. Ich kann nicht aufhören, ihn zu betrachten.
Da dreht er sich um. Nein, ich will ihn jetzt nicht ansehen. Ich will nicht, dass irgendetwas passiert.
Ich verlasse das Zimmer, schütte mir kaltes Wasser ins Gesicht.
Dann steht er vor mir. Schwarz und schlicht. Und ganz besonders aufregend.
Und das weiß er.
«Na?», sagt er.
Als Antwort ein Lächeln. Mehr nicht.
Nachdem er weg ist, räum ich die Wohnung auf. Dann lass ich mich auf mein Bett fallen, lege meine neue CD ein und lasse mich sanft einhüllen von der Musik.
Eine menschliche Sanftheit w ä r mir lieber.
Ja, jetzt warme Hände auf meinem Körper. Jemand, der mich festhält...
Warum hat Alex sich noch nicht gemeldet?
Ich reiß mich los von meiner Stimmung. Zurück in die Stadt. Zu Dr. Kruse. Ich Idiot habe die Entschuldigung verges sen!
Auf dem Rückweg gehe ich am Bahnhof vorbei.
Leon!
Ich seh ihn, noch bevor ich die Bahnhofshalle betrete. Er steigt gerade aus einem blauen Scorpio.
«Zeit für einen Kaffee?»
Leon schaut auf die Uhr.
«Die beste Zeit für Geschäfte zwar, aber ich hab schon 150 verdient heute. Reicht fürs Erste! Ins ‹ Lenz › ?»
Leon wieder in weißen Jeans, noch makellos weiß, dazu das karierte Hemd, die glänzenden Schuhe ...
Mein Herz klopft. Ich bin aufgeregt. Ich weiß nicht, was mit mir ist. Ich weiß bloß, dass ich jetzt froh bin, dass ich nicht allein bin. Dass ich froh bin, dass jemand neben mir geht. Jemand, der so ist wie ich!
Wir trinken Milchkaffee. Wir rauchen. Wir begegnen uns mit den Augen. Und immer wenn ich gerade darin versin ken möchte, grinst er und sagt:
«Aufpassen Zeno! Denk an meine Worte! Lass dich nicht fallen! Gewöhn dir am besten die Gefühle ab. Es reicht doch, seinen Spaß zu haben, oder?»
Ich schweige. Nein, verdammt, nein!
Aber Leon hat sich eingerichtet mit seinem Leben.
«Guck nicht schon wieder so ernst! Was kann ich für dich tun? Soll ich dir die Trauer wegwichsen, wegblasen oder wegficken? Ist es das, was du willst? Kannst du haben! Wenn du Geld hast, kannst du alles haben!»
Ich halte mir die Ohren zu.
Ich will nicht, dass er so redet.
Ich hasse ihn, wenn er so redet.
Ich hasse ihn für das, was er tut.
Und doch will ich, dass er es mit mir tut.
Und ich hasse mich dafür.
Mir ist zum Heulen. Meine rechte Gesichtshälfte immer noch taub. Und in mir ein Schmerz, eine Sehnsucht, eine Trau er ... wohin damit?
«Komm!», sagt er. «Ein kleiner Rausch, und du lachst wie der! Mein Motto kennst du ja: Be happy! Komm!»
Noch zögere ich. Na, Zeno? Schwule Sau, noch Zweifel?
Hör auf! Und wenn? Und wenn schon? Mir ist alles egal! Alles!
«Wieviel?»
«Wenn ich auch was von dir kriege, sind wir quitt!»
«Und wo?»
Leon schaut sich um. Im hinteren Teil der Kneipe sitzen zwei Frauen über ihren Spaghetti. Sonst ist es leer.
«Komm mit! Hier stört uns vorläufig keiner!»
Zeno Zimmermann! Lass dich nicht in den Dreck ziehen! Denk dran, es gibt kein Zurück!
Egal! Ich brauch das jetzt! Und ich will es von ihm! Nicht von irgendjemandem! Ich will ihn!
Die Stimme schweigt.
Ich folge ihm.
Der Kellner liest die Tageszeitung. Wir interessieren ihn nicht im Geringsten.
Beißender Geruch. Kalte Fliesen, verdreckt und angeschla gen. Weg, bloß weg! Aber es passt. Dieser schnelle Sex passt hierher. Wozu
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