Tür ins Dunkel
Gegenteil - sobald dieser Fall aufgeklärt war, sobald Laura und Melanie gefahrlos in der Öffentlichkeit auftreten konnten, würde er dafür sorgen, daß auch sie gegen die beiden Detektive aussagten, und er selbst würde eben falls eine Aussage zu Protokoll geben. Manuello und Wexlersh waren erledigt -und ebenso ROSS Mondale.
30
Um 0.25 Uhr konnte Earl Benton die Klinik verlassen.
Auch nachdem sein Gesicht nun nicht mehr blutverschmiert war, bot er einen erschreckenden Anblick. Die Kopfverletzung war mit sieben Stichen genäht und verbunden worden. Seine Lippen waren purpurfarber und geschwollen, der ganze Mund verzerrt. Ein Auge war blau geschlagen.
Sein Aussehen machte auf Melanie einen tiefen Eindruck. Ihre Augen wurden plötzlich klar, Sie tauchte aus ihrer Trance auf wie ein Fisch, der an die Oberfläche eines Sees schwimmt, um eine seltsame Gestalt am Ufer besser in Augenschein nehmen zu können. »Ahhhh!« stöhnte sie niedergeschlagen. Sie schien Earl etwas sagen zu wollen, und er beugte sich zu ihr hinab. Sie berührte sein geschundenes Gesicht mit einer Hand, und ihr Blick schweifte langsam von dem geschwollenen Kinn und den aufgeplatzten Lippen zu dem blauen Auge und weiter zu seinem Kopfverband. Sie nagte bekümmert an ihrer Unterlippe. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie versuchte zu sprechen, brachte aber keinen Laut hervor.
»Was ist, Melanie?« fragte Earl.
Laura kauerte sich neben ihre Tochter, legte einen Arm um sie. »Was versuchst du ihm zu sagen, Liebling? Denk immer nur an ein Wort, ganz langsam. Ein Wort nach dem anderen. Du kannst es aussprechen. Du kannst es, Baby.«
Dan Haldane, der Arzt, der Earl behandelt hatte, und eine junge Krankenschwester verfolgten die Szene aufmerksam, erwartungsvoll.
Melanies von Tränen getrübter Blick glitt noch immer über Earls Gesicht, von einer Verletzung zur anderen, und schließlich murmelte sie: »Für m-m-mich.«
»Ja«, sagte Laura. »Das stimmt, Liebling. Earl hat für dich gekämpft. Er hat sein Leben für dich riskiert.«
»Für mich«, wiederholte das Mädchen andächtig, so als sei es für sie eine ganz neue, unfaßbare Vorstellung, geliebt und beschützt zu werden. Freudig erregt über diesen Riß in Melanies autistischem Panzer, hoffte Laura, ihn erweitern oder vielleicht sogar den Panzer völlig zertrümmern zu können. »Wir alle kämpfen für dich, Baby. Wir wollen dir helfen. Wir werden dir helfen, wenn du uns nur helfen läßt.«
»Für mich«, sagte Melanie noch einmal, doch dann verstummte sie wieder. Ihre Tränen trockneten, sie nahm ihre Hand von Earls Gesicht, und ihre Augen wurden glasig. Sie ließ müde den Kopf sinken. Laura war etwas enttäuscht, aber zugleich schöpfte sie neue Hoffnung. Die Kleine wollte aus ihrer dunklen unzugänglichen Innenwelt zurückkehren, und nachdem sie diesen Wunsch hatte, würde es ihr früher oder später ver mutlich auch gelingen, ihr Refugium zu verlassen.
Der Notarzt schlug vor, Earl sollte über Nacht zur Beob achtung in der Klinik bleiben, aber der Privatdetektiv wollte lieber ins >sichere Haus< zurückfahren und seine Aussage zu Protokoll geben, damit Wexlersh und Manuello ins Kittchen wandern konnten. Sie waren alle zusammen in Dans Limousine zur Klinik gefahren, aber Dan wollte Laura und Melanie jetzt von allen Polizeibeamten fernhalten und konnte Earl deshalb nicht zum >sicheren Haus< bringen. Sie riefen für ihn lieber ein Taxi.
»Ihr braucht nicht zu warten, bis das Taxi kommt«, sagte Earl. »Macht lieber, daß ihr von hier wegkommt.«
»Wir warten«, entschied Dan. »Wir müssen ohnehin noch kurz einiges besprechen.«
Sie standen in der Halle vor der Ausgangstür, damit sie sehen konnten, wenn das Taxi vorfuhr. Ohne sich absprechen zu müssen, hatten sie Melanie schützend in ihre Mitte genommen. Draußen regnete es noch immer in Strömen. In der Halle war nur die Hälfte der Lampen eingeschaltet, die ein unfreundlich kaltes Licht spendeten. Ein leichter Geruch nach Desinfektionsmitteln mit Tannenduft hing in der Luft. Außer der kleinen vierköpfigen Gruppe war kein Mensch zu sehen.
»Soll Paladin jemanden schicken, der mich ablöst?" fragte Earl.
»Nein«, erwiderte Dan.
»Das dachte ich mir schon.«
»Ihr seid eine verdammt gute Detektei«, sagte Dan, »und ich hatte nie Grund, an eurer Integrität zu zweifeln. Ich habe auch jetzt keinen Grund dazu...«
»Aber in diesem speziellen Fall traust du den Leuten von Paladin genausowenig wie der Polizei«,
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