Tür ins Dunkel
Hypnose eigentlich Lauras Befehle hätte befolgen müssen, ignorierte es seine Mutter und kroch am Schaukelstuhl vorbei, mitleiderregende animalische Laute panischer Angst ausstoßend. Die Katze stand jetzt mit gewölbtem Rücken auf dem Schaukelstuhl. Sie hatte die Ohren angelegt und fauchte. Dann sprang sie mit einem Satz über das Mädchen hinweg und raste aus dem Arbeitszimmer.
»Melanie, hör mir zu!« Das Mädchen verschwand hinter dem Schreibtisch. Laura folgte ihrer Tochter. Ihre linke Wange brannte noch immer von dem Schlag. Melanie verkroch sich unter dem Schreibtisch. Laura ging in die Hocke und sah das Mädchen mit hochgezogenen Knien dasitzen, die Arme um die Beine geschlungen, zusammengekauert, das Kinn auf den Knien. Die schreckensweit aufgerissenen Augen nahmen weder Laura noch das Zimmer wahr. »Liebling?«
Mühsam nach Luft ringend, so als wäre sie weit gerannt, stammelte Melanie: »Laß sie nicht... aufgehen. Halt sie... geschlossen... fest geschlossen!« Earl Benton tauchte auf der Türschwelle auf. »Ist alles in Ordnung?« Laura sah ihn über die Schreibtischkante hinweg an. »Ja... Nur... meine Tochter... aber sie wird sich beruhigen.«
»Sind Sie sicher? Brauchen Sie meine Hilfe?«
»Nein, nein. Ich muß mit ihr allein sein. Es geht schon.« Earl kehrte zögernd ins Wohnzimmer zurück. Laura blickte wieder unter die Schreibtischplatte. Melanie keuchte noch immer, und sie zitterte jetzt am ganzen Leibe. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Komm heraus, Liebling.« Das Mädchen bewegte sich nicht. »Melanie, du wirst mir zuhören, und du wirst tun, was ich dir sage. Komm sofort heraus.«
Das Mädchen versuchte, sich noch tiefer zu verkriechen. Laura hatte noch nie erlebt, daß ein hypnotisierter Pa tient sich so total ihrer Kontrolle entzog. Sie starrte Mela nie fassungslos an und beschloß, sie unter dem Schreib tisch sitzen zu lassen, wo sie sich ein klein wenig sicherer zu fühlen schien. »Liebling, wovor versteckst du dich?« Keine Antwort. »Melanie, du mußt es mir sagen! Was hast du gesehen? Was sollte geschlossen bleiben?«
»Laß sie nicht aufgehen!« wimmerte das Kind; zum erstenmal schien es direkt auf eine Frage Lauras zu reagieren, obwohl es immer noch irgend etwas Schreckliches vor Augen hatte, das sich zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort ereignet haben mußte. »Was soll ich nicht aufgehen lassen? Sag es mir, Melanie.«
»Halt sie geschlossen!« schrie das Mädchen, kniff die Augen zu und biß sich so fest auf die Lippe, daß ein Blutstropfen hervortrat. Laura legte eine Hand auf den Arm ihrer Tochter. »Liebling, wovon redest du? Ich werde dir helfen, es geschlossen zu halten, wenn du mir nur sagst, was es ist.«
»Die T-T-Tür...«
»Welche Tür?«
»Die Türl«
»Die Tür zum Tank?«
»Sie öffnet sich, sie öffnet sich!«
»Nein«, sagte Laura scharf. »Hör mir zu. Du mußt mir zuhören und glauben, was ich dir sage. Die Tür wird nicht aufgehen. Sie wird sich nicht öffnen. Sie ist geschlossen. Fest geschlossen. Schau sie an. Siehst du? Sie ist nicht einmal einen Spalt breit geöffnet.«
»Nicht einmal einen Spalt breit«, wiederholte Melanie, und nun konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, daß irgendein Teil von ihr Laura hörte und verstand, obwohl sie weiterhin durch Laura hindurch starrte und in ihrer selbsterschaffenen Welt blieb. »Nicht einmal einen Spalt breit«, versicherte Laura, zutiefst erleichtert, endlich ein wenig Einfluß auszuüben.
Das Mädchen beruhigte sich etwas. Es zitterte noch immer, und sein Gesicht war noch immer angstverzerrt, aber es zerbiß sich zumindest nicht mehr die Lippe. Ein dünner Blutfaden zog sich das Kinn hinab. »So, Liebling«, fuhr Laura fort, »die Tür ist geschlossen, und sie wird fest geschlossen bleiben, und niemand auf der anderen Seite wird sie öffnen können, denn ich habe ein neues Schloß angebracht, ein schweres Schloß. Verstehst du?«
»Ja«, murmelte das Mädchen zweifelnd. »Schau die Tür an, Melanie. Sie hat ein großes glänzendes neues Schloß. Siehst du das neue Schloß?«
»Ja«, sagte Melanie etwas zuversichtlicher. »Ein großes Messingschloß. Ein sehr großes.«
»Ja.«
»Es ist so groß und stark, daß niemand es aufbrechen kann.«
»Niemand«, stimmte das Mädchen zu. »Gut. Sehr gut. Obwohl die Tür nicht mehr aufgehen kann, wüßte ich doch sehr gern, was auf der anderen Seite der Tür ist.« Das Mädchen schwieg. »Liebling, sag mir, was auf der anderen Seite der
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