Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
ein kurzer Blick auf die damalige Waffenbrüderschaft, dass die Deutschen einen erheblichen Einfluss auf die osmanische Armee hatten – etwa so, wie die Nato heute auf die afghanische Armee, bestätigt auch Oberstleutnant Groß. Denn die deutschen Truppen unterstützten nicht nur gelegentlich ihre türkischen Kameraden, deutsche Offiziere besetzten damals Schlüsselstellungen im osmanischen Heer. Die Zusammenarbeit zwischen deutscher und türkischer Armee hatte bereits 1882 begonnen, als eine erste Gruppe von Offizieren nach Konstantinopel entsandt wurde, um die Reform der osmanischen Truppe nach preußischem Vorbild zu unterstützen und voranzutreiben. Bereits ein Jahr später unterrichtete Generalmajor Freiherr von der Goltz an der Militärakademie in Istanbul und sorgte auch dafür, dass türkische Offiziere in Deutschland geschult wurden. Schon bald darauf begann das deutsche Kaiserreich eine regelrechte diplomatische Offensive am Bosporus. Kaiser Wilhelm II . besuchte Sultan Abdülhamid II . 1889 in Istanbul und legte dort den Grundstein für eine neue deutsche Orientpolitik. Anders als Briten und Franzosen über ihre Kolonien wollte sich das Kaiserreich einen größeren Einfluss im Orient durch eine enge Zusammenarbeit mit dem ökonomisch und militärisch schwachen Osmanischen Reich sichern. Dafür investierten Deutschland und deutsche Konzerne hohe Summen. Ambitioniertestes Projekt war der Bau der Anatolischen Eisenbahn, die später zur Bagdad-Bahn erweitert wurde und zu einem heftigen Interessenkonflikt mit den Briten führte. Deutschland baute so seinen Einfluss im Osmanischen Reich immer weiter aus – bei seiner zweiten Orientreise 1898 versicherte Kaiser Wilhelm allen Muslimen die unverbrüchliche Freundschaft Deutschlands – sehr zum Ärger von Briten und Russen.
Das führte dann 1913 in Vorwegnahme des ein Jahr später beginnenden großen europäischen Krieges zu einer ernsten Krise mit Russland. Auf Bitten der neuen jungtürkischen Regierung verstärkte das Deutsche Reich seine Militärmission in der Türkei entscheidend. Unter der Leitung von Generalmajor Otto Liman von Sanders wurden zunächst 40 Stabsoffiziere, deren Zahl dann wenig später bereits auf 70 aufgestockt wurde, nach Istanbul entsandt. Liman von Sanders erhielt dort so weitreichende Vollmachten, dass Russland mit einer Intervention drohte. Liman von Sanders wurde Mitglied des Obersten Kriegsrates, Chef aller Militärakademien und kommandierender General der I., in Istanbul stationierten, Armee. Aufgrund des russischen Protestes legte er dieses Kommando dann zwar nieder, wurde aber stattdessen sogar noch zum türkischen Marschall und Generalinspekteur des türkischen Heeres ernannt. »Der mit Liman von Sanders unterschriebene Vertrag« mit den Türken, kommentierte später der US-Militärhistoriker J. L. Wallach, »gab fast die gesamte Organisation der Armee in die Hände der Deutschen und gestattete dem Chef der Mission den Eingriff in fast alle militärischen Angelegenheiten«.
Mit Beginn des Krieges und nachdem eine Expertise eben dieses Liman von Sanders für die deutsche Oberste Heeresleitung den Ausschlag dafür gegeben hatte, mit dem Osmanischen Reich ein Bündnis einzugehen, verstärkte sich der deutsche Einfluss noch einmal erheblich. Nicht nur Offiziere und Mannschaften, auch Waffen, Munition und selbst Kohle kamen aus dem Deutschen Reich. Aus den anfangs 70 Angehörigen der Deutschen Militärmission waren gegen Ende des Krieges 800 Offiziere und 25000 Soldaten geworden, die gemeinsam mit der osmanischen Armee kämpften und dort fast alle Schlüsselpositionen besetzten. Deutsche Offiziere waren nicht nur an allen relevanten Frontabschnitten in hohen Positionen vertreten, auch der stellvertretende Generalstabschef, der engste Berater des Kriegsministers Enver Pascha, war ein Deutscher. Da Liman von Sanders sichaufgrund seiner Arroganz als preußischer Monokelträger mit den türkischen Entscheidungsträgern äußerst schlecht vertrug, rückte der stellvertretende Generalstabschef Fritz Bronsart von Schellendorf zum mächtigsten deutschen Militär auf.
Schellendorf war dabei, als Enver Pascha gleich zu Beginn des Krieges die dritte osmanische Armee gegen den Rat von Liman von Sanders, völlig ungenügend ausgerüstet und verpflegt, in einen verhängnisvollen Winterfeldzug am Kaukasus führte, der in einer militärischen Katastrophe mündete. Von 100000 Mann starben fast 80000 , die meisten nicht durch den russischen Feind,
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