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Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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aufstöhnen.
    »Erasmus, dich bitte ich nicht darum«, sagte der Graf eilig. »Du stehst ja mit dem Teufel im Bunde.«
    »Euer Exzellenz«, sagte Perepjolkin empört, »Sie werden doch nicht dulden, daß in Ihrer Anwesenheit Glücksspiele stattfinden?«
    Aber Sobolew wedelte ihn weg wie eine zudringliche Fliege.
    »Hören Sie auf, Hauptmann. Seien Sie nicht so fade. Sie haben’s gut, Sie können in Ihrer Operationsabteilung irgendwelche Arbeiten machen, aber ich bin schon ganz eingerostet vom Nichtstun. Graf, ich spiele nicht, meine Natur ist zu unbändig, aber zuschauen will ich gern.«
    Perepjolkin sah den schönen General mit den Augen eines geprügelten Hundes an.
    »Vielleicht ein kleines Spiel?« sagte Lucan unsicher. »Um das Kampfbündnis zu festigen.«
    »Klar doch, zur Festigung und nur ein kleines.« Surow nickte und schüttete aus seiner ledernen Umhängetasche versiegelte Kartenspiele auf den Tisch. »Einsatz je ein Hunderter. Wer geht mit, meine Herren?«
    Die Bank war schnell aufgelegt, und alsbald schallten im Zelt die Zaubersprüche: »Die Karozicke.«
    »Nehmen wir mit dem König, meine Herren!«
    »L’as de carreau.«
    »Ha-ha, gestochen.«
    Warja trat zu Fandorin und fragte: »Warum nennt er Sie Erasmus?«
    »Das hat sich so e-ergeben«, sagte Fandorin ausweichend.
    Sobolew holte geräuschvoll Luft. »Krüdener zieht bestimmt schon gegen Plewna, und ich sitze hier wie eine gestochene Lusche.«
    Perepjolkin saß neben seinem Abgott und tat so, als interessiere ihn das Spiel.
    Der verdrossene MacLaughlin stand mit seinem Schachbrett unterm Arm einsam da, knurrte etwas auf englisch und übersetzte es ins Russische: »Aus dem Presseklub ist eine Spelunke geworden.«
    »He, Wirt, hast du Schustowschen? Bring her!« rief der Husar dem Büfettier zu. »Wenn schon amüsieren, dann richtig.«
    Es wurde in der Tat ein amüsanter Abend.
     
    Dafür war der Presseklub tags darauf nicht wiederzuerkennen: Die Russen waren finster und niedergedrückt, die Presseleute hingegen aufgedreht, sie unterhielten sich halblaut, und von Zeit zu Zeit lief der eine oder andere, der neue Einzelheiten erfahren hatte, zur Telegraphenstelle – es hatte eine Riesensensation gegeben.
    Schon um die Mittagszeit waren häßliche Gerüchte durchs Lager gekrochen, und in der sechsten Stunde, als Warja und Fandorin vom Schießstand kamen (der Titularrat unterwies seine Gehilfin im Gebrauch des Revolvers), lief ihnen Sobolew entgegen, düster und aufgeregt.
    »Eine schöne Geschichte«, sagte er und rieb sich nervös die Hände. »Schon gehört?«
    »Plewna?« fragte Fandorin hoffnungslos.
    »Totale Niederlage. General Schilder hat ohne Aufklärung angegriffen, um Osman Pascha zuvorzukommen. Wir hatten siebentausend Mann, die Türken waren in der Übermacht. Unsere Marschkolonnen attackierten frontal und gerietenunter Kreuzfeuer. Der Kommandeur des Archangelsker Regiments Rosenbom ist gefallen, der Kommandeur des Kostromaer Regiments Kleinhaus tödlich verwundet, Generalmajor Knorring wurde auf einer Trage zurückgebracht. Ein Drittel unserer Männer ist hin. Das reinste Gemetzel. Von wegen drei Bataillone! Die Türken sind auch anders als früher. Sie haben gefochten wie die Teufel.«
    »Und d’Hévrais?« fragte Fandorin rasch.
    »Nichts weiter. Er sieht grün aus und stammelt Rechtfertigungen. Kasansaki hat ihn abgeführt, um ihn zu vernehmen. Na, jetzt geht es los. Vielleicht krieg ich endlich meine Ernennung. Perepjolkin hat schon angedeutet, daß es eine Chance gibt.« Und der General ging federnden Schritts in Richtung Stab.
    Bis zum Abend hatte Warja im Hospital zu tun, sie half, chirurgische Instrumente zu sterilisieren. Es waren so viele Verwundete gebracht worden, daß zwei weitere Zelte aufgestellt werden mußten. Die Krankenschwestern rannten sich die Hacken ab. Es roch nach Blut und Leid. Die Verwundeten schrien und beteten.
    Erst gegen Mitternacht konnte Warja sich losreißen und das Pressezelt aufsuchen, wo sich die Atmosphäre, wie schon gesagt, grundlegend von der gestrigen unterschied.
    Das Leben brodelte nur am Spieltisch, wo schon die zweite Nacht ohne Unterbrechung das Spiel lief. Der bleiche Surow qualmte eine Zigarre und gab schnell Karten. Er aß nichts, trank aber unentwegt, ohne betrunken zu werden. An seinem Platz türmten sich Banknoten, Goldmünzen und Schuldscheine. Ihm gegenüber saß mit zerrauftem Haar der entnervte Oberst Lucan. Daneben schlief ein Offizier, den hellblonden Kopf auf den gekreuzten

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