Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
…«
    »Nicht in solchem Grad?« brummte Fandorin unfroh.
     
    Kurz vor Mittag wurde auch Kasansaki gefunden, nachdem Fandorin angeordnet hatte, nochmals das Wäldchen und das Gestrüpp rund um die Stelle abzusuchen, wo der arme Surow getötet worden war.
    Wie Warja später hörte (sie selbst war nicht mitgegangen), saß Kasansaki halb liegend hinter einem dichten Busch, mit dem Rücken an einen Feldstein gelehnt. In der Rechten hielt er einen Revolver, in der Stirn war ein Loch.
    Die Beratung über die Untersuchungsergebnisse leitete Misinow persönlich.
    »Ich muß vor allem sagen, daß ich mit den Arbeitsergebnissen des Titularrats Fandorin sehr unzufrieden bin«, begann der General mit einer Stimme, die nichts Gutes verhieß. »Erast Petrowitsch, direkt vor Ihrer Nase hat ein gefährlicher, raffinierter Feind agiert, der unserer Sache schwersten Schaden zufügte, und Sie haben ihn nicht enttarnt. Das war natürlich keine leichte Aufgabe, aber Sie sind ja wohl kein Neuling. Was soll man da von den einfachen Mitarbeitern der Sonderabteilung erwarten? Sie kommen aus irgendwelchen Gouvernementsverwaltungen und haben nur einfache Ermittlungsarbeit gemacht, doch bei Ihnen mit Ihren Fähigkeiten ist es unverzeihlich.«
    Warja, die Hand gegen die schmerzende Schläfe gepreßt, warf einen Seitenblick auf Fandorin. Der wirkte gänzlich unerschütterlich, doch seine Wangen (außer Warja würde das niemand bemerkt haben) färbten sich schwach rosa – die Worte des Chefs hatten ihn wohl tief getroffen.
    »Also, meine Herren, was haben wir? Wir haben eine in der Weltgeschichte einmalige Konfusion. Den Geheimdienst der Westgruppe, der wichtigsten Einheit der ganzen Donau-Armee, hat ein Verräter geleitet.«
    »Kann das als gesichert gelten, Hohe Exzellenz?« fragte der ranghöchste Gendarmerieoffizier zaghaft.
    »Urteilen Sie selbst, Major. Nun, daß Kasansaki griechischer Herkunft ist und unter den Griechen viele türkische Agenten sind, das ist natürlich noch kein Beweis. Aber erinnern Sie sich bitte, daß in Lucans Notizen ein geheimnisvoller J. vorkommt. Jetzt ist klar, daß dieser J ›Gendarm‹ bedeutet.«
    »Aber ›Gendarm‹ schreibt sich doch mit G«, beharrte der Major mit dem grauen Schnauzbart.
    »Französisch ›gendarme‹, ja, aber rumänisch ›jandarm‹«, erklärte der hohe Vorgesetzte gönnerhaft. »Kasansaki war es, der den rumänischen Oberst an Fäden tanzen ließ. Weiter. Wer stürzte hinter Surow her, als der die Nachricht überbringen wollte, von der der Ausgang der Schlacht und womöglich des ganzen Krieges abhing? Kasansaki. Weiter. Mit wessen Dolch wurde Surow getötet? Mit Kasansakis. Weiter. Ja, was weiter? Als der Mörder den Dolch nicht aus dem Schulterblatt seines Opfers herausziehen konnte, begriff er, daß er den Verdacht gegen sich nicht würde entkräften können, und erschoß sich. Übrigens fehlen in der Trommel seines Revolvers genau zwei Patronen.«
    »Aber ein feindlicher Spion würde sich doch nicht umbringen, sondern versuchen zu entkommen«, warf der Major wieder zaghaft ein.
    »Wohin denn bitte? Die Feuerlinie konnte er nicht überqueren, und in unserm Hinterland wäre er schon heute zur Fahndung ausgeschrieben worden. Bei den Bulgaren konnteer sich nicht verstecken, zu den Türken sich nicht durchschlagen. Besser die Kugel als der Galgen, da hatte er recht. Außerdem war Kasansaki kein Spion, sondern ein Verräter. Nowgorodzew«, rief der General seinen Adjutanten. »Wo ist der Brief?«
    Der Adjutant nahm ein zweimal gefaltetes schneeweißes Blatt Papier aus einem Aktendeckel.
    »In der Jackentasche des Selbstmörders gefunden«, erklärte Misinow. »Lesen Sie vor, Nowgorodzew.«
    Der Adjutant warf einen zweifelnden Blick auf Warja.
    »Lesen Sie, lesen Sie«, drängte der General. »Wir sind hier kein Mädchenstift, und Frau Suworowa ist Mitglied der Untersuchungsgruppe.«
    Nowgorodzew räusperte sich, lief rot an und begann vorzulesen.
    »›Lieber Wantschik-Charitontschik, mein Herzblatt …‹ Das ist so falsch geschrieben, meine Herren«, warf der Adjutant ein, »ich lese, wie es da steht. Hm. ›… mein Herzblatt. Ein Leben ohne dich ist so daß Hand an mir legen besser ist wie so ein Leben. Du hast mir geküßt und gekost und ich dir aber das gemeine Schicksal hat neidisch zugesehn und das Messer in Hand gehalten. Ohne dich bin ich Staub und Dreck. Bitte komm bald zurück. Aber wenn du in dein lausiges Kischinjow statt Besso einen anderen findest, komm ich hin, und bei

Weitere Kostenlose Bücher