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Türkisches Gambit

Türkisches Gambit

Titel: Türkisches Gambit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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spärlicher Schußwechsel zu hören war, wartete Sobolew im Bahnhof. Nach einer halben Stunde war alles beendet. Verluste: ein leicht Verwundeter, und den mochten die Eigenen irrtümlich getroffen haben.
    Der General besichtigte flüchtig das von Gaslaternen beleuchteteZentrum – etwas weiter begann ein dunkles Labyrinth krummer Gassen, und dorthinein zu gehen hatte keinen Sinn. Als Residenz und Verteidigungsbollwerk (für den Fall von Unannehmlichkeiten) wählte Sobolew das massive Gebäude der Osmano-Osmanischen Bank. Eine der Kompanien bezog Posten vor der Bank und im Innern, die zweite blieb auf dem Bahnhof, und die dritte bewachte die umliegenden Straßen. Der Zug fuhr sofort zurück, um Verstärkungen zu holen.
    Eine telegraphische Meldung an den Stab des Oberbefehlshabers über die Einnahme von San Stefano kam nicht zustande – die Verbindung war tot. Das mochte den Türken zu danken sein.
    »Das zweite Bataillon trifft nicht vor morgen mittag ein«, sagte Sobolew. »Einstweilen ist nichts Interessantes zu erwarten. Betrachten wir die Lichter von Zargrad und verkürzen wir uns die Zeit mit angenehmem Geplauder.«
    Der provisorische Stab wurde in der zweiten Etage eingerichtet, im Kabinett des Direktors. Erstens waren von den Fenstern aus tatsächlich die fernen Lichter der türkischen Hauptstadt zu sehen, und zweitens führte vom Kabinett aus eine Stahltür direkt in den Tresorraum der Bank. Dort standen auf Eisengestellen in gleichmäßigen Reihen versiegelte Säcke. D’Hévrais las die arabische Aufschrift und sagte, jeder Sack enthalte hunderttausend Lire.
    »Und dabei wird erzählt, daß die Türkei bankrott ist«, sagte Mitja Gridnew verwundert. »Hier sind ja Millionen!«
    »Genau darum bleiben wir in dem Kabinett«, entschied Sobolew. »Das ist sicherer. Mir haben sie schon einmal nachgesagt, ich hätte den Schatz des Chans geraubt. Das reicht.«
    Die Tür zum Tresorraum blieb angelehnt, und keiner sprach mehr von den Millionen. Von der Bahnstation wurdeein Telegraphenapparat in das Vorzimmer gebracht, die Leitung lief direkt über den Platz. Alle Viertelstunde versuchte Warja, eine Verbindung wenigstens nach Adrianopel zu bekommen, aber der Apparat gab kein Lebenszeichen.
    Es erschien eine Abordnung der örtlichen Kaufmannschaft und der Geistlichkeit und bat, die Häuser nicht zu plündern und die Moscheen nicht zu zerstören, sondern lieber eine Kontribution zu verhängen – so um die fünfzigtausend, mehr könnten die armen Städter nicht aufbringen. Als der Führer der Abordnung, ein dicker hakennasiger Türke mit Fes und Gehrock, begriff, daß er den legendären Weißen General vor sich hatte, wurde die Summe der angebotenen Kontribution sogleich verdoppelt.
    Sobolew beruhigte die Einheimischen, indem er erklärte, er sei nicht ermächtigt, eine Kontribution zu erheben. Der Hakennasige schielte durch die angelehnte Tür in den Tresorraum und rollte respektvoll die Augen.
    »Verstehe, Effendi. Hunderttausend Lire sind für einen so großen Mann eine Bagatelle.«
    Neuigkeiten machten hier schnell die Runde. Keine zwei Stunden nach dem Besuch der San Stefanoer Bittsteller traf bei Sobolew bereits eine Abordnung der griechischen Händler aus Konstantinopel ein. Sie boten keine Kontribution an, sondern brachten »den tapferen christlichen Kriegern« Süßigkeiten und Wein. Sie sagten, in der Stadt lebten viele Orthodoxe, und baten, nicht mit Kanonen zu schießen, und wenn das doch notwendig sei, dann nicht auf Pera, denn dort seien die Läden und Warenlager, sondern auf Galata oder, noch besser, auf das armenische und das jüdische Viertel. Sie versuchten, Sobolew einen mit Edelsteinen besetzten goldenen Säbel zu überreichen, wurden jedoch hinauskomplimentiert und schienen sich beruhigt zu entfernen.
    »Zargrad!« sagte Sobolew erregt und blickte durchs Fenster auf die lichterflimmernde große Stadt. »Der ewige unerfüllbare Traum der russischen Herrscher. Hier liegt die Wurzel unseres Glaubens und unserer Zivilisation. Es ist der Schlüssel zum Mittelmeer. Wie nahe! Streck die Hand aus und greif zu! Ob wir wirklich wieder mit leeren Händen abziehen?«
    »Das darf nicht sein, Euer Exzellenz!« rief Gridnew. »Das läßt der Herrscher nicht zu!«
    »Ach, Mitja, ich denke, die Etappenhengste, die Kortschakows und Gnatjews, die schachern schon und wedeln vor den Engländern mit dem Schwanz. Sie haben nicht genug Mumm, sich das zu nehmen, was Rußland nach altem Recht gehört, nein, haben sie nicht!

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