Türkisgrüner Winter (German Edition)
zogen sich zusammen. »Ich überlegte, was ich tun könnte, und kam schließlich auf die schwachsinnigste Idee überhaupt. Im Nachhinein könnte ich mich selbst treten für den ganzen Mist, aber in dem Moment habe ich es einfach nicht gemerkt. Der bescheuerte Hass auf dich hat komplett meinen Verstand benebelt.«
Ich begriff, worauf er hinauswollte, und als ich mich an diese Zeit zurückerinnerte, fiel mir auch der geringe Abstand zwischen dem Vorfall und den Mails auf.
Mein Blick war auf die Bettdecke gerichtet. »Daraufhin hast du angefangen, dich als Luca auszugeben«, sagte ich trocken.
Elyas stütze das Gesicht in die Hände. »Ja«, murmelte er leise. »Es war so dumm. Ich wollte an Informationen über dich herankommen. Hätte ich das durch Alex versucht, wäre sie nur misstrauisch geworden. Ich kann gar nicht mehr genau sagen, was der Auslöser dafür war, aber plötzlich überkam mich dieser hirnrissige Einfall mit den E-Mails. In Alex‘ Abwesenheit schnappte ich mir ihren Laptop, suchte nach deiner Adresse und wurde fündig. Es gab sogar zwei Stück zur Auswahl. Die von der Uni war nahezu perfekt, absolut unauffällig, weil sie für jeden offen zugänglich war. Niemals würde der Verdacht auf mich fallen.
Ich schrieb mir die Adresse heraus, nannte mich wie einer meiner Studienkollegen, legte mir einen neuen E-Mail-Account an und nicht einmal zehn Minuten später hatte ich dir die erste Nachricht geschickt. Ich las sie noch mal durch und dachte mir, die Chancen würden eins zu einer Million stehen, dass du mir tatsächlich darauf antwortest.«
»Tja«, sagte er gedämpft. »So kann man sich täuschen. Die Chancen standen besser als gedacht. Du bist darauf eingegangen und hast geschrieben: › Ein polizeiliches Führungszeugnis würde mein Vertrauen in dich ungemein stärken!‹ Was passierte? Obwohl ich den Mund zusammenpresste, musste ich schmunzeln. Emely Winter, wie sie leibt und lebt. Es war zum Verzweifeln.«
Am liebsten wäre mir gewesen, wenn Elyas jetzt erzählen würde, er hätte sich nach dieser E-Mail unsterblich in mich verliebt und dass alles, was danach kam, echt gewesen war. Aber mein Bauchgefühl und Elyas‘ Blick sagten etwas anderes.
»Ich bombardierte dich mit Fragen«, fuhr er fort, »und du hast mir vertrauensselig auf jede einzelne geantwortet. Einerseits war das praktisch und genau das, was ich erreichen wollte – andererseits meldete sich mein Gewissen. Es war unfair, was ich tat. In meinem tiefsten Inneren wusste ich das.
Ich versuchte dagegenzuhalten und redete mir ein, dass du es verdient hättest und ich das Spielchen ja nicht allzu lange mit dir treiben würde. Ein paar Wochen, bis ich genug wüsste, dann würde ich aufhören.«
»Außerdem«, fügte er leicht verstimmt hinzu, »hat es mich teilweise ganz schön geärgert. Ich meine, einem Wildfremden stehst du Rede und Antwort und mir kannst du nicht einmal die einfache Frage beantworten, wie es dir geht. Irgendwie habe ich das persönlich genommen und mein dummes Vorhaben nur weiter damit bekräftigt.
Hinzu kam noch ein Problem, ein gewaltiges sogar, das ich mir aber nicht eingestehen wollte: Ich fand dich nett in den Mails. Es war interessant, mit dir zu schreiben. Viel interessanter, als es hätte sein dürfen. Es war keine Lüge, dass ich später irgendwann alle fünf Minuten an den PC gerannt bin.«
»Parallel zu den Mails«, sagte er, »sind wir uns auch immer wieder ›real‹ über den Weg gelaufen. Zum Beispiel beim Joggen im Park. Erinnerst du dich?«
Ich verzog das Gesicht. »Da du mich regelmäßig an dieses peinliche Ereignis erinnerst, stehen die Aussichten auf ein Vergessen sehr gering. Leider.«
»Entschuldigung«, sagte er mit einem Lächeln. »Zu dem Zeitpunkt schrieben wir uns ungefähr drei Wochen. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, hatte sich meine Einstellung dir gegenüber bereits begonnen zu ändern. Von dir persönlich hatte ich erfahren, dass du Geisteswissenschaften studierst. Ich habe eine sehr hohe Meinung davon. Es passte nicht in mein Bild von dir. Und von Mail zu Mail zeigte sich mehr deine Tiefgründigkeit.
Es war nicht so, dass sich meine Meinung über dich bewusst geändert hat, vielmehr war da wie eine leise Stimme in meinem Hinterkopf, die ich ständig zu übertönen versuchte und nicht wahrhaben wollte.
Als du im Park plötzlich neben mir zusammengesackt bist …« Elyas fuhr sich mit der flachen Hand über den Nacken. »Für einen Moment ist mir das Herz stehengeblieben.
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