Türkisgrüner Winter (German Edition)
wurde neugierig und fragte mich, was sie an sich haben, wenn sie dich so sehr faszinieren. Und nachdem ich sie selbst gelesen habe, verstand ich es.
Dass du die Bücher jemals bei mir findest, war nie geplant gewesen. Ich rechnete nicht damit, dass du mich eines Tages in mein Zimmer begleitest. Du glaubst nicht, wie groß meine Angst in dem Moment war, aufgeflogen zu sein. Aber das war ich nicht. Und nach diesem Abend, nach unserer gemeinsamen Nacht, begriff ich auch schmerzlich, warum das so war.«
Er begriff schmerzlich ? Ich runzelte die Stirn und hatte die Frage, welche Gründe er dahinter vermutete, schon auf der Zunge liegen. Doch er sprach weiter und setzte woanders an.
»Nicht nur in den Mails, sondern auch bei unseren realen Begegnungen hatte sich einiges verändert. Alles verselbstständigte sich und ich verlor die Kontrolle darüber. Der Hass auf dich verschwand von Mal zu Mal mehr und auf einmal befand ich mich erschreckenderweise verdammt gerne in deiner Nähe. Selbst andere Frauen haben mich nicht mehr interessiert. Für mich gab es nur noch dich. Du wurdest zu einem Fixpunkt in meinem Leben.
Dein Sarkasmus hat mich in den Wahnsinn getrieben. Noch nie habe ich über eine Frau so lachen können. Ich wollte mehr davon. Immer mehr. Und auch dein Charakter, deine ganz eigene und spezielle Art … Ich mochte dich einfach. All meine Vorurteile dir gegenüber hast du unbewusst jeden Tag aufs Neue widerlegt. Irgendwann hatte ich schlichtweg keine Chance mehr gegen dich.
Alles drehte sich um einhundertachtzig Grad. Vorher habe ich dich für oberflächlich gehalten, und plötzlich war es so, dass ich mir im Vergleich zu dir oberflächlich vorkam. Und dann deine ständigen Schusseligkeiten! Andauernd bist du vor mir herum gestolpert. Himmelherrgott, wie soll man denn jemanden hassen, der nicht mal fähig ist, geradeaus zu laufen?«
Meine Lippen formten einen protestierenden Schmollmund. Irgendwie fand ich den letzten Satz jetzt doof …
»Es war alles so furchtbar für mich in dieser Zeit«, sagte er und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. »Ich steckte in einem völligen Gefühlschaos und konnte mich nicht daraus befreien. Mein Verstand sagte mir, ich solle besser jetzt als gleich die Finger von dir lassen. Aber ich schaffte es einfach nicht. Der Drang, in deiner Nähe zu sein und Neues über dich in den E-Mails zu erfahren, war stärker als alles andere.
Irgendetwas in mir, wahrscheinlich der Teil, der es sich nicht eingestehen wollte, hielt weiterhin an dem dummen Plan fest. Aus reinem Selbstbeschiss. Eigentlich wusste ich, dass es mir längst nicht mehr nur darum ging.«
Elyas‘ Hände, mit denen er eben noch gestikuliert hatte, sanken leblos neben ihn aufs Bett. Seine ganze Haltung sackte merklich zusammen.
»Als wir uns wieder einmal begegnet waren«, fuhr er leise fort. »Und du vor mir standest … Da merkte ich, dass ich dich viel lieber küssen wollte, anstatt mit dir ins Bett zu steigen.«
Eine Gänsehaut wanderte meinen Rücken hinab und breitete sich über meinen gesamten Körper aus.
»Die Ereignisse überschlugen sich«, sagte Elyas. »Der Unfall von deinen Eltern passierte. Weißt du, wie leid mir das tat? Früher, als wir Teenager waren, hat es mir das Herz gebrochen, wenn es dir nicht gut ging. Ich konnte dich nicht leiden sehen. Und in dieser Nacht spürte ich, dass sich daran nichts geändert hatte.« Seine Mimik wirkte trostlos.
»Du bist für drei Wochen in Neustadt geblieben«, sagte er. »In der Zeit habe ich sehr viel und sehr oft über alles nachgedacht. Einerseits hast du mir gefehlt, andererseits tat dieser Abstand gut. Zum ersten Mal habe ich es geschafft, einen zumindest halbwegs klaren Kopf zu bekommen. Ich realisierte, dass du mein komplettes Leben innerhalb der letzten Monate auf den Kopf gestellt hattest. All das, was ich eigentlich verhindern wollte, war eingetreten. Sogar das Schlimmste von allem. Mir wurde bewusst, dass ich wieder Gefühle für dich hatte.
Ich konnte nicht begreifen, warum du so eine verdammte Wirkung auf mich hast. Alles begann wieder von vorn. Mein Verstand warnte mich regelrecht vor dieser Erkenntnis. Unsere Vergangenheit und die Erinnerung daran, wie sehr du mich verletzt hast, hat mich nicht losgelassen und stand weiterhin im Raum.« Den Blick auf die Sonnenblume geheftet, atmete Elyas aus. Während er mir so offen von seinen Empfindungen erzählte und ich bei jedem einzelnen Wort an seinen Lippen klebte, durchlebte ich gleichzeitig meine
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