Türkisgrüner Winter (German Edition)
einräumen. Er verschwand aber nicht ganz, hielt sich bereit, um jede Sekunde, sollte der Schein nur trügen, die Oberhand wieder an sich reißen zu können.
»Möchtest du, dass ich weiterspreche?« Nur sehr zögerlich kam Elyas der Satz von den Lippen. Wie in Trance nickte ich stumm.
»Was sich an diesem Abend für mich änderte, war die Tatsache, dass ich nun zu einhundert Prozent wusste, was ich wollte – wie du hingegen für mich fühlst, blieb mir nach wie vor ein Rätsel. Ich wusste nur, dass ich dich nervös mache, du dich unwohl fühlst, wenn ich dir zu nahe komme und du mir meistens nie lange in die Augen sehen konntest. Letzteres fast so, als wolltest du etwas vor mir verstecken.«
»Es ist schwer zu beschreiben«, sagte er und suchte nach Worten. »Manchmal, wenn wir uns in die Augen gesehen haben, da war es, als würden wir aufeinander zugehen, obwohl sich keiner von uns auch nur einen Millimeter bewegte.« Elyas sah auf seine Hände. »Ich wusste nie, ob du das auch spüren kannst. Aber es gab Momente … Ich weiß nicht, da sah ich etwas in deinen Augen, was mir Hoffnungen machte.
Du hast eine Wirkung auf mich, die ich nie in Worte fassen könnte. Es ist mehr als verliebt sein. Es ist etwas viel Tieferes. So als wärst du das, was mir immer gefehlt hat. Wenn ich nicht bei dir bin, fühle ich eine Leere in mir, und nur du kannst diese Leere füllen. Ich brauche dich nur anzusehen und schon vergesse ich alles um mich herum. Es ist, als hättest du mich mit einem Fluch belegt … Einem positiven Fluch.« Er zuckte mit den Schultern, als könnte er selbst keine Erklärung für all das finden. Ich dagegen fühlte mich wie von einer Flut aus Gefühlen aufs offene Meer hinaus geschwemmt und gleichzeitig war jeder Muskel meines Körpers versteinert.
»Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte ich mit den E-Mails aufhören müssen«, sagte er. »Stattdessen zog ich mir die Schlinge noch fester um den Hals und machte weiter. Ich konnte einfach nicht anders. Nicht nur deswegen, weil es so schön war mit dir zu schreiben, sondern auch aus anderen Gründen.« Elyas stützte sich links und rechts mit beiden Händen auf dem Bett ab und setzte sich ein bisschen aufrechter.
»Ich habe in einem Zwiespalt gesteckt«, erklärte er. »Nach wie vor durftest du nicht erfahren, dass ich Luca bin. Und doch gab es einen Teil in mir, der genau das wollte.
Du mochtest ihn – also mochtest du mich. Nur wusstest du das nicht. Manchmal war der Wunsch, dass du es erfährst, so groß, dass ich leichtsinnig wurde. Ich machte versteckte Anspielungen, gab dir klitzekleine Hinweise. Auf keinen einzigen bist du eingegangen. Anfangs dachte ich noch, dass meine Andeutungen zu dezent gewesen waren, aber nach einer Weile verstand ich, wie ich vorhin schon erwähnt habe, den wahren Grund dahinter.«
Dieses Mal konnte ich die Frage nicht mehr zurückhalten und brachte sie mit brüchiger Stimme hervor. »Und was denkst du, ist der wahre Grund dahinter?«
So langsam wie Elyas einatmete, so langsam atmete er auch wieder aus. »Es hätte keine Rolle gespielt, wie viele Andeutungen ich gemacht hätte. Wahrscheinlich hätte ich dir als Luca ein Bild von mir als Elyas schicken können und du hättest mit den Worten ›Wow, du siehst genauso aus wie jemand, den ich kenne‹ reagiert. Du sahst keinerlei Verbindung. Vor mir hattest du immer Angst – vor Luca nicht. Ihm hast du vertraut, mir trautest du keinen Millimeter. Luca und ich waren wie Feuer und Eis für dich. Zwei verschiedene Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. In deinem Kopf waren wir wie Schwarz und Weiß.«
Ich zog die Beine näher an mich heran und es dauerte einen Moment, ehe ich antwortete. »Ich glaube, das hast du sehr gut auf den Punkt gebracht. Wahrscheinlich wollte ich dich manchmal auch gar nicht anders sehen.«
»Das kann gut sein«, sagte er. »Aber es lag auch an mir. Sobald ich dir gegenüberstand, fiel es mir schwer, dir meine andere Seite zu zeigen. So einfach kann ich nicht aus meiner Haut. Und gerade bei dir, wo so viel für mich auf dem Spiel steht, kostet es mich noch viel mehr Überwindung.«
Ich wusste, wovon er sprach. Ich wusste es sogar bestens.
»Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich kurz davor war, dir zu sagen, wer Luca wirklich ist. Aber die letzte Instanz habe ich nie geschafft. Du hast angefangen, dich mir gegenüber zu öffnen, hast mir ein bisschen Vertrauen geschenkt und dich nicht mehr so unwohl in meiner Gegenwart
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