Türkisgrüner Winter (German Edition)
vor Lachen fast erstickt wäre. Es dauerte ein Weilchen, bis ich in der Lage war, zu antworten.
»Neee, des is Elyas«, sagte ich und wischte mir eine Träne aus dem Auge.
»Du kennstden?«
»Jep. Der is beleidigt, weil ich‘n Arsch genannt hab.«
»Warum maxtn du so was?«
»Weil ich mich voll in den verknallt hab und er mich nur ins Bedd kriegn will.«
»Das is nich nedd«, sagte er.
Ich schüttelte den Kopf. Gar nicht nett war das. Kein bisschen nett.
»Und warum stehd der die ganze Zeid da?«
»Weisch au net.«
Ich seufzte schwerfällig und wir schwiegen einen Moment.
»Weißt, was ich glaub?«, fragte er.
»Nö.«
»Dass wia beide voll die Arschkadde habn.«
»Ja, isch glaub auch«, sagte ich, was uns beide, warum auch immer, ungemein amüsierte.
»Gib ma«, sagte ich und patschte mit der Hand gegen seine Brust, damit er mir die Flasche überreichte.
»Da …«
»Dange!« Ich trank einen Schluck und verzog erneut das Gesicht. Wodka pur war doch noch recht gewöhnungsbedürftig für einen sonst nur bei Anlässen Alkohol trinkenden Menschen wie mich. Teufelszeug!
»Weißt, was auch blöd is?«, fragte ich.
»Ne.«
»Ich weiß nich ma, wo ich hin soll! Aleks und Seba … Sebasch … Basti sind schon weg, glaubsch.«
»Wer isn Aleks und Seba-Sebasch-Basti? Ist dea Auslända?«
»Ne, Pschychologe.«
»Asoo, und wer sind die nu?«
»N’ Giftzwerg und ihr blöda, perfekter Freund.«
»Verstehe. Und was maxte nun, wenn de nich weißt, wo de hinsollst?«
»Weiß ich eben net. Hia bleiben und tringn, denk isch.«
»Quatschhh, dann kommsd de mit zu mia!«, sagte er.
»Wer issn Mia?«
»Na ich.«
»Ich dachte, du heißd Jeff?«
»Ja, ich meinde, mit zu mirrr«, antwortete er, und dank der extremen – und leider feuchten – Betonung des »R«, verstand es dieses Mal sogar ich.
»Asoo! Wohnst du denn hia in der Nähe?«
»Jap, gleich um die Egge.«
»Des find isch gud!«
»Aba jez trinkn wa erst noch‘n bisschen, oda?«
»Jap, Frust wegssbülen«, sagte ich.
»So sieht‘s auss!«
»Weiss su was?«, fragte er.
»Neee.«
»Mit dia kann man voll gut redn, Elfriede.«
»Emely«, sagte ich.
»Meinsch doch!«
»Mit dia auch, Freddy!«
»Schef!«
»Chef?«
»Nee, Tscheff!«
»Aso … ja.«
»Prost«, sagte ich und beobachtete skeptisch, wie er den Inhalt der Flasche rapide schrumpfen ließ. »Hey, gib mal noch’n Schlugg!« Ich streckte die Hand in seine Richtung.
»Is leer.«
»Wiiiee, is leer?
»Ausgedrunken«, sagte er.
»Dann hol ma ’ne neue!«
»Du bis’ dran.«
»Och nee.«
»Doch.«
Ich stöhnte. Irgendwie hatte ich die böse Befürchtung, dies würde bedeuten, dass ich aufstehen musste, und je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich mit dieser Befürchtung richtig lag. Blieb einem denn gar nichts erspart? Leise vor mich hin nörgelnd versuchte ich mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ich krallte mich in Freddys Oberschenkel und hievte mich auf die Füße. Kaum stand ich, taumelte ich ein bisschen nach links, ein bisschen nach rechts, ein bisschen nach vorne und ein bisschen nach hinten. Betrunken zu sein war wie ein ständiger Blick aus dem Schnellzug. Alles zog an mir vorüber. Bis ich etwas von der Umgebung wahrnahm, war ich schon längst daran vorbei. Nur einen eindeutigen Vorteil hatte das Betrunkensein gegenüber dem Zugfahren: Es war wesentlich lustiger. Und so kicherte ich, als ich es dank der Sofalehne schaffte, eine Art Balance zu finden, und einigermaßen akkurat auf den Beinen stand. Mit dem Finger zeigte ich auf Freddy. »Du läufst nisch weg, du bleibscht schön hia, verstannen?«
»Ährenwort!«, sagte er und wollte seine Hand zum Schwur auf die Brust legen, nur irgendwie wurde es dann doch die Schulter. Ich verließ mich auf seinen Schulterschwur, sagte: »Gut« und bewegte mich schwankend Richtung Tür. Elyas stand nur unmittelbar entfernt von dieser. Mit einem bösen Blick verfolgte er meinen wackeligen Gang und regte sich selbst keinen Zentimeter vom Fleck. Für einen Moment hielt ich inne, sah ich doch auf einmal zwei Elyas‘. Ein bisher ungekannter Zwilling? Oder doch nur optische Täuschung aufgrund meiner Zugfahrt? Ich war mir nicht sicher, fand aber die zwei Elyas‘, die da lehnten und so miesepetrig dreinschauten, irgendwie putzig. Kurzerhand gesellte ich mich neben einen der beiden und stupste ihn leicht mit dem Ellenbogen an. Ich kicherte. Er dagegen sah weiterhin stur geradeaus. Die Arme nun ebenfalls vor
Weitere Kostenlose Bücher