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Türkisgrüner Winter (German Edition)

Türkisgrüner Winter (German Edition)

Titel: Türkisgrüner Winter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bartsch
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dem Heimweg von Italien, haben wir eine kleine Pause an einer Autobahnraststätte eingelegt«, sagte sie. »Ich ging auf die Toilette und da lief mir auf einmal dieses kleine Kätzchen über den Weg. Der Parkplatz war menschenseelenleer und nirgends war jemand zu finden, dem sie gehören könnte. Ich habe sie auf den Arm genommen und bin mit ihr zum Betreiber der Raststätte gegangen. Er hat uns geraten, sie ins Tierheim zu bringen. Anfangs wollten wir das auch. Aber nachdem ich dieses kleine, zerbrechliche Wesen fünf Minuten auf dem Schoß hatte, brachte ich es nicht mehr übers Herz.«
    »Das glaube ich dir«, sagte ich. »Mir wäre es nicht anders gegangen.« Schon seitdem ich denken konnte, wünschte ich mir ein Haustier. Weil meine Mutter aber gegen fast alles allergisch war, das Haare hatte – ein Wunder eigentlich, dass sie wegen meines Vaters nicht niesen musste –, war das leider nie möglich gewesen.
    »Gut, dass du sie mitgenommen hast«, sagte ich. »Man mag sich gar nicht ausmalen, was sonst mit ihr passiert wäre. Ist sie denn gesund? Sie sieht recht abgemagert aus.«
    »Wir sind heute Morgen gleich mit ihr zum Tierarzt. Sie ist unterernährt, aber ansonsten kerngesund. Wir müssen sie mit der Flasche füttern, weil sie noch zu jung für feste Nahrung ist. Die Tierärztin meinte, dass sie höchstens sechs Wochen alt und vermutlich schon eine längere Weile umhergestreunt ist.«
    Noch ein Baby und schon mutterseelenallein auf der Welt. Leben konnte manchmal wirklich hart sein.
    Mit einem Lächeln beobachtete Alena ihren Sohn und fuhr fort. »Die Kleine ist noch sehr schreckhaft, aber an Elyas scheint sie einen Narren gefressen zu haben. Seitdem er hier ist, läuft sie ihm unentwegt nach. Er hat es sogar geschafft, dass sie von ihrer Milch getrunken hat. Man könnte fast meinen, das Kätzchen hätte sich ein bisschen verliebt.«
    Tja, wer tat das nicht …
    Böser, selbstverletzender Gedanke.
    »Und wenn ich mir Elyas so ansehe, hat er sich ebenfalls verliebt. Er mochte Katzen schon immer, wusstest du das?«
    Mit Muschis hat er‘s eben , war mein erster Gedanke.
    Mein zweiter Gedanke war, dass ich es tatsächlich wusste. Er hatte es in den Mails geschrieben. Somit war wohl doch ein einzelner wahrer Satz dabei gewesen, was mich fast ein bisschen überraschte.
    »Mama«, murmelte Elyas. »Ich bin anwesend.«
    »Ist doch kein Grund sich zu schämen. Ich sage ja nichts Falsches. Du wolltest schon immer eine Katze haben.« Mit einem schlecht unterdrückten Grinsen auf den Lippen wandte sie sich mir zu. »Vor Hunden dagegen hatte er immer Angst.«
    »Mama!«, sagte Elyas. »Ich habe keine Angst vor Hunden, ich mag sie nur einfach nicht.«
    Alena kicherte. »Ach ja?« Sie beugte sich zu mir, als würde sie mir etwas im Vertrauen sagen wollen, sprach aber so laut, dass alle es hören konnten. »Als er zwölf Jahre alt war, sind wir auf einer Wanderung an einem Bauernhof vorbei gekommen. Ein kleiner schwarzer Hund ist aus dem Hof gelaufen und schwanzwedelnd auf Elyas zugerannt. Der Hund wollte ihn nur begrüßen, aber Elyas dachte wohl, er wollte ihm an den Kragen. Anstatt stehen zu bleiben, hat Elyas die Beine in die Hand genommen und ist um sein Leben gerannt. Der Hund fand das super: Endlich jemand, der mit ihm spielt! Er hat die Verfolgung aufgenommen. Nach ein paar hundert Metern hat sich Elyas dann über einen Gartenzaun gerettet. Du hättest ihn sehen sollen, als wir ihn dort wieder geholt haben. Er hat am ganzen Körper gezittert und bitterlich geweint.«
    Alena hatte vor Lachen die letzten Wörter kaum hervorgebracht. Ich hingegen versuchte, das heutige Bild, das ich von Elyas hatte, mit dem in Einklang zu bringen, das durch die Erzählung in meinem Kopf gemalt wurde. Es waren zwei komplett verschiedene Menschen.
    »Ja und?«, sagte Elyas. »Das Vieh war doppelt so groß wie ich.«
    »Er ging dir gerade mal bis zum Knie«, entgegnete Alena.
    »Weißt du, wie man so etwas nennt, Elyas?«, fragte Sebastian, dem die Erheiterung deutlich im Gesicht geschrieben stand. »Kindheitstrauma. So etwas muss man aufarbeiten. Wenn du möchtest, kann ich dir dabei helfen. Wir wollen ja nicht, dass du dir beim nächsten Hund in die Hose machst.«
    Alena prustete von Neuem los und hielt sich an Sebastians Arm fest.
    Elyas dagegen verdrehte die Augen. »Wahnsinnig witzig.«
    Hätte ich diese Information schon früher bekommen, hätte ich mir vor über sieben Monaten, als ich ihn wiedergetroffen hatte, einfach einen

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