Türkisgrüner Winter (German Edition)
doch Alena kam ihm zuvor.
»Das kannst du laut sagen, Carla. Wäre ich damals nicht so eine harte Nuss gewesen, wüsste ich nicht, ob wir jetzt genauso hier sitzen würden und kurz davor wären, unseren fünfundzwanzigsten Hochzeitstag zu feiern.«
Ingo tat dasselbe wie ich vorhin: Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Weinglas. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet und jedem stand die Belustigung ins Gesicht geschrieben. Als er nichts mehr sagte, zwinkerte Alena ihm zu und widmete sich wieder ihrem Gespräch mit Sebastian.
Alena liebte ihren Mann über alles, das sah man nicht nur, das spürte man. Aber es gab eine Sache, auf die sie niemals etwas kommen ließ, und das waren ihre Kinder.
Ich hätte nie gedacht, dass bei einem Pärchen, wie die beiden es waren, eine Vorgeschichte wie diese existieren könnte. So naiv es klang, aber irgendwie hatte ich mir immer vorgestellt, dass die zwei sich sahen, sich verliebten und wussten, dass sie den Rest ihres Lebens miteinander verbringen wollten. Das war das, was sie ausstrahlten.
Aber so war es nicht gewesen. Schon absurd. Hätte Alena mir vor zwei Monaten von Ingos Verführerqualitäten und ihrer starken Gegenwehr erzählt, hätte ich noch gesagt, dass es bei Elyas und mir genauso war.
Ich senkte das Kinn und bekam für eine ganze Weile um mich herum nichts mehr mit. Mein Selbsthass forderte meine gesamte Aufmerksamkeit.
Irgendwann verabschiedeten sich mein Vater und Ingo ins Arbeitszimmer. Von »Italienurlaub« und »Mitbringseln« war die Rede gewesen. Weil es nach einem typischen Männerding klang, zeigte keiner Interesse, ihnen zu folgen.
Meine Mom unterhielt sich eingehend mit Alex über die bevorstehende Sommermode. Ich wusste nicht, wer von beiden mehr in diesem Gespräch aufging, Fakt war, sie machten einem Hefeteig ernsthaft Konkurrenz.
Alena erzählte Sebastian von der herrlichen Landschaft der Toskana und steckte ihn mit ihrer Begeisterung an. Von Elyas dagegen hatte ich schon längere Zeit nichts mehr gehört und konnte nicht behaupten, dass ich mich daran störte.
Wieder wanderte mein Blick zur Uhr über der Tür. 21:43 Uhr. Konnte bei dem Ding mal jemand die Batterien austauschen? Irgendetwas musste mit der Anzeige nicht stimmen.
Zu lange mit mir selbst beschäftigt, bekam ich nur noch die letzten Fetzen der Unterhaltung von Alex und meiner Mutter mit, die mit den Worten »Ich habe die Jacke oben, willst du sie sehen?« und »Aber unbedingt!« endete.
Als ich verstand, dass Carla im Begriff war aufzustehen, riss ich die Augen auf. Sie konnte nicht aufstehen, sie war doch … In diesem Moment stand sie schon. Ich wollte sie festhalten und dazu nötigen, gefälligst sitzenzubleiben, aber zu mehr als einem versteinerten Gesichtsausdruck, mit dem ich den beiden nachsah, war ich nicht fähig. Auf einmal war da eine klaffende Lücke links neben mir. Ich spürte sie, als ginge ein Sog davon aus. Und genauso spürte ich, wer an der Stelle saß, wo die Lücke aufhörte. Ich ließ vereinzelte Haarsträhnen, die sich aus meiner Frisur gelöst hatten, nach vorne fallen und zählte die Sekunden, die ich bereits hinter mir hatte.
Alex und meine Mutter würden doch nicht lange brauchen, oder?
Blöde Frage, die beiden sahen sich Klamotten an. Ich konnte froh sein, wenn ich sie noch vor Silvester wiedersähe.
Ohne dass ich es wollte, schielte ich durch meine Haare hindurch in Elyas‘ Richtung. Er saß zurückgelehnt im Stuhl, hatte einen Arm ausgestreckt und fuhr mit dem Finger den Rand seines Glases nach, das auf dem Tisch stand. Sein Blick folgte der Bewegung und wirkte abwesend.
An was er wohl dachte?
»Miau«, machte es da plötzlich leise. Ich drehte den Kopf und suchte nach dessen Herkunft. Seit wann hatte die Familie Schwarz ein Haustier?
»Hey, meine Kleine«, sagte Elyas. »Hast du ausgeschlafen?«
Erst dann konnte auch ich den Verursacher des Maunzens entdecken: Eine kleine graugetigerte Katze mit weißen Pfoten, höchstens ein paar Wochen alt, die sich mit großen schwarzen Augen an Elyas‘ Stuhlbein rieb. Mit der linken Hand, die die gleiche Größe wie das Kätzchen hatte, umfasste er sie und setzte sie sich auf den Schoß.
»Ach, Emely, du kennst unser neuestes Familienmitglied ja noch gar nicht«, sagte Alena.
Obwohl ich sie gehört hatte, konnte ich den Blick nicht von Elyas lösen, der sich liebevoll um den kleinen Wurm in seinen Händen kümmerte. Erst als Alena mir die Hand auf den Arm legte, wandte ich mich ihr zu.
»Heute Nacht, auf
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