Türkisgrüner Winter (German Edition)
von diesen Schuhen oder zeigte mir Bilder von ihnen und war den Tränen nahe gewesen, als sie erfuhr, dass die limitierte Zahl von tausend Stück bereits vergriffen wäre. In der Marke stand irgendetwas von »Jimmy Choo« – wer oder was das sein sollte, war mir ein Rätsel. Die Dinger waren jedenfalls so schweineteuer, dass ich sie mir nicht allein leisten konnte und meine Eltern um Mithilfe bat.
Als Alex den Karton öffnete, spielte sich ihre Reaktion in mehreren Phasen ab. Zuallererst klappte ihr die Kinnlade hinunter, dann drang ein langgezogenes und sehr hochtöniges »Aaaaaahhh!« aus ihrem Mund, gefolgt von einem nervösen »Sind das etwa? Sind das etwa? Sind das etwa?«, was wiederum abgelöst wurde durch »Oh mein Gott! Das sind sie! Jesus! Das sind sie tatsächlich!«. Danach folgte die längste Phase, die aus einem Wechsel aus Quietschen, sprunghaften Umarmungen und sich immer wiederholenden »Danke! Danke! Danke!«-Ausrufen bestand.
Alena und meine Mutter fanden ebenfalls großen Gefallen an meinen Geschenken. In Berlin gab es eine Parfümerie, in der man sich seinen persönlichen Duft aus hunderten von verschiedenen Noten zusammenstellen lassen konnte. Ich hatte einen halben Nachmittag in dem Laden zugebracht und war schließlich mit zwei individuell abgestimmten Parfüms für die beiden nach Hause gegangen. Allein die aufwendig gestalteten Glasflakons waren ein kleines Kunstwerk. Das fanden auch Alena und meine Mutter, die von den jeweiligen Gerüchen sehr angetan waren und sie gleich auf ihr Handgelenk sprühten.
Für Karsten, meinen Vater, hatte ich zwei Geschenke. Das erste war ein Spaß, den ich mir nicht verkneifen konnte: Ein Tischangel-Spiel für Kinder. Die Lacher waren groß. Das zweite, eigentlich richtige Geschenk, kam zusammen von mir und meiner Mutter. Mein Vater war ein großer Fußballfan und demnach trafen wir mit der Karte für ein Spiel der Deutschen Nationalmannschaft genau ins Schwarze. Als ich ihm sagte, dass ich ihn trotz meiner Abneigung gegen diese Sportart begleiten würde, leuchteten seine Augen wie die eines kleinen Kindes. Für ein paar Sekunden wirkte es, als würde er bereits im Stadion sitzen und auf den Anpfiff warten.
Ingos Präsent hatte ich schon im letzten Frühling besorgt. Es war reiner Zufall gewesen. Ich kam an einem Flohmarkt vorbei und sah mich bei Ständen mit Büchern um. Dabei fiel mir ein sehr großes, vergilbtes mit Ledereinband ins Auge. Ich schlug es auf und fand darin chirurgische Techniken aus dem Mittelalter beschrieben. Ob das Buch wirklich aus dieser Zeit stammte, wagte ich zu bezweifeln, immerhin hatte es mir der Händler für zwanzig Euro überlassen. Dass es aber antik war, konnte man ohne Zweifel erkennen.
Selbst für einen Laien wie mich war es interessant, darin zu blättern – aber auch recht unheimlich, um ehrlich zu sein. Die vielen Gerätschaften, die darin abgebildet waren, wirkten nicht unbedingt einladend. Eine gruselige Vorstellung, dass Menschen früher mit so etwas operiert wurden.
Ingo war von der ersten Sekunde an fasziniert von diesem Buch und wollte es überhaupt nicht mehr aus den Händen geben. Erst als Alena ihm einen dezenten Wink gab, dass er doch später noch genug Zeit finden würde, um es sich genauer anzusehen, legte er es widerwillig zur Seite.
Bei allen Geschenken hatte ich mir große Mühe gegeben, nur an eine Person – abgesehen von Elyas natürlich – hatte ich leider nicht gedacht: Sebastian. Alex hatte vor heute Morgen kein einziges Mal erwähnt, dass sie ihn mitbringen würde. Und so war es mir sehr unangenehm, als meine beste Freundin mir eine große, rechteckige und flache Schachtel mit den Worten »Das ist von mir und Sebastian« überreichte.
Ich strich mit den Fingern über den dunkelblauen Karton und hob den Deckel an. Eine Schicht Seidenpapier kam darunter zum Vorschein. Ich knickte die Blätter zur Seite und hielt kurz darauf einen schwarzen und sehr edlen Stoff in den Händen. Als ich ihn ausbreitete, klappte mir der Mund auf. Ein Abendkleid, im Volksmund auch »Kleines Schwarzes« genannt.
»Alex …«, sagte ich und verstummte.
»Gefällt es dir?«
Mein Blick klebte wie hypnotisiert an dem Kleid fest. »Ja. Es ist wunderschön.«
Aber wie viel mochte es gekostet haben? Könnte ich das überhaupt annehmen? Und wie würde es an mir aussehen? Um so ein Kleid zu tragen, brauchte man eine gewisse Eleganz, und davon hatte ich nun wahrlich keine im Angebot.
Doch bevor ich etwas sagen konnte,
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