Türkisgrüner Winter (German Edition)
Ich zitiere es euch: › Dad, wenn dich schon das Meer nicht interessiert, dann denk wenigstens an die Tiere. Wenn es keine Fische mehr gibt, dann finden die Delfine, Robben und Pinguine nichts mehr zu essen. Und wenn die Robben verhungern, dann sterben die Eisbären. Dad, willst du, dass die Delfine, die Robben, die niedlichen Pinguine und die Eisbären sterben? Willst du das, Dad???‹ «
Lautes Gekicher brach aus, ich dagegen verschränkte die Arme und rollte mit den Augen. Ja, vielleicht war ich ein bisschen theatralisch gewesen. Aber unrecht hatte ich nicht!
»Dabei habe ich doch nur einen Fisch gefangen«, sagte mein Vater und hob die Schultern. »Und das nicht aus dem Meer, sondern aus einem Fischweiher …«
»Mit einem Fisch fängt alles an«, antwortete ich überzeugt und reckte das Kinn. Das sorgte für noch lauteres Lachen. Tz, sollten sie doch lachen … blöde Eisbärenmörder!
Mit der Zeit drifteten die Gespräche in viele einzelne ab und ich rückte aus dem Fokus. Nur Elyas‘ Stimme, die ich jederzeit unter Tausenden herausgehört hätte, war nicht darunter.
»Wenn man solchen Geschichten lauscht, wird einem wieder klar, wie sehr ihr Kinder hier fehlt«, sagte Ingo. Er trug ein Lächeln auf den Lippen, doch seine Augen verrieten etwas anderes.
»Berlin ist zwar nicht aus der Welt, trotzdem sehen wir uns viel zu selten«, sagte ich.
Er nickte. »Aber wenigstens weiß ich, dass ihr drei dort zusammen seid. Das beruhigt mich irgendwie. Es war kein schönes Gefühl zu wissen, dass nicht nur wir von euch getrennt waren, sondern auch zwischen euch halb Deutschland lag. Zum Glück hat sich das geändert. Ich kann mich darauf verlassen, dass ihr aufeinander achtgebt. Das kann ich doch, oder?«
»Natürlich kannst du das«, sagte ich. »Du kennst doch Alex und mich. Wir sind wie ein altes Ehepaar. Von außen mag man das vielleicht nicht immer sehen, aber im Inneren wissen wir beide, dass wir uns zur Not den Arm für den andern abhacken würden.«
»Das finde ich unheimlich schön«, sagte er. »Und was ist mit Elyas? Benimmt er sich denn?«
Ich senkte den Kopf. Oh Mann …
»Das kann ich nicht beurteilen«, entgegnete ich.
»Warum nicht?«
»Wir haben wenig miteinander zu tun.« Wenn man das auf die letzten zwei Monate bezog, war es nicht einmal gelogen.
»Seid ihr euch immer noch nicht grün geworden? Ich hatte mich schon gefreut, als Alex vor längerem erwähnte, ihr würdet ab und an etwas gemeinsam unternehmen. Stimmte das nicht?«
Ich kratzte mich am Arm. »Was heißt gemeinsam unternehmen «, sagte ich. »So kann man das nicht ausdrücken. Eher hat mich Alex des Öfteren genötigt mitzukommen, wenn sie mit Elyas unterwegs war.«
»Ach so«, murmelte Ingo. »Was habt ihr denn gegeneinander, wenn man fragen darf?«
Nein, das durfte man nicht fragen.
Ich plusterte die Backen auf. In erster Linie war da natürlich die Tatsache, dass Elyas ein Arsch war. Aber das könnte ich vor Ingo nicht aussprechen, zumindest nicht, ohne in Erklärungsnot zu geraten.
»Sagen wir einfach, dass wir zwei von Grund auf verschiedene Menschen sind und keinen Draht zueinander finden.«
»Ich kann mir das gar nicht vorstellen«, antwortete er. »Was ist denn an euch so unterschiedlich?«
Ich nippte am Glühwein und ließ den Blick eine Weile auf der roten Oberfläche ruhen. »Vieles«, sagte ich.
»Aber früher war das doch auch nicht so?«
Wir blickten beide zu Alena, die uns unterbrach und der Meinung war, dass es nun Zeit für die Geschenkevergabe wäre. Die Digitalkamera hielt sie schon bereit.
Ich wandte mich noch einmal Ingo zu. »Tja«, sagte ich. »Menschen verändern sich eben.«
Damit schloss ich die Unterhaltung, stand auf und lief ins Esszimmer, um meine Tasche mit den Geschenken zu holen. Elyas‘ Blick, so war mir im Vorbeigehen aufgefallen, war auf Ingo und mich gerichtet gewesen. Hatte er unserem Gespräch gelauscht?
Die nächsten zwanzig Minuten wurden zur reinsten Papierschlacht. Überall hörte man es rascheln und reißen, ehe es in haufenweise Umarmungen endete. Die Freude war allgemein sehr groß, aber Alex‘ Quietschen, als sie das Geschenk von meinen Eltern und mir öffnete, schaffte keiner zu überbieten.
Vor drei Wochen war ich mit meiner Mutter in einer Nachbarstadt gewesen und an einem Schuhladen vorbeigekommen. Im Schaufenster lachten mir die hellrosa-schwarzen High-Heels entgegen, wegen denen Alex sich in ganz Berlin die Hacken abgelaufen hatte. Ständig erzählte sie mir
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